27.02.2020 | Technologien

KI in der Steuerkanzlei – ein Überblick

Otto-Schmidt-Verlag

Gastbeitrag von Fabian Silberer, sevDesk *

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz – kurz: KI – eignet sich im Bereich der Steuerberatung besonders gut, weil sich gerade in diesem Tätigkeitsfeld viele Aufgaben automatisieren lassen. Dieser Beitrag stellt die wesentlichen Instrumente von KI und ihre Einsatzmöglichkeiten in der Steuerkanzlei vor.

Fabian Silberer
Foto: Fabian Silberer, © sevDesk

Forschungen zur KI befassten sich zunächst mit der Nachbildung und Übertragung von menschlichen Wahrnehmungen und Handlungen auf Computersysteme. Inzwischen sind die Experten aber zur Erkenntnis gelangt, dass KI im Grunde die Simulation von intelligentem menschlichem Verhalten ist, welche als Grundlage vorgegebene bzw. erlernte Muster verwendet.

Teilgebiete der KI

Unter dem Begriff künstliche Intelligenz lassen sich verschiedene Teilgebiete subsummieren:

  • Machine Learning (ML): Der Computer wird derart präpariert, dass er ohne menschlichen Einfluss lernt. Ein Teilgebiet ist hier das sogenannte Deep Learning mithilfe neuronaler Netze und großer Datenmengen.
  • Natural Language Processing (NLP): Diese Technologie wird beispielsweise bei Sprachassistenten wie Alexa und Siri genutzt.

Im weitesten Sinn geht es der KI darum, Aufgaben mithilfe von intelligenten Algorithmen zu erledigen. Die Software nimmt dabei Zugriff auf Datenbanken und durchsucht diese auf Basis der gestellten Aufgabe nach passenden Lösungen. Dabei ist die Software in der Lage, Muster zu erkennen, sich diese zu merken und sie später wieder zu nutzen. Je mehr Daten dabei zur Verfügung stehen, desto präziser kann das Programm arbeiten.

KI in der Steuerberatung

Das ist auch einer der Gründe, warum KI gerade im Bereich der Steuerberatung von zunehmendem Interesse ist: Es existieren große Datenmengen. Konkret lassen sich KI-Programme in der Steuerberatung für folgende Aufgabenbereiche einsetzen:

  • Anomalie-Erkennung (für Zoll-Erklärungen)
  • Datenerfassungs-Automatisierung (Robotic Process Automation – RPA)
  • Ermittlung von Umsatzsteuer (durch maschinelles Lernen)
  • Vertragsübersetzungen (zur Unterstützung der Arbeit)
  • Daten-Analyse (durch kognitive Dienste gegebene Entscheidungshilfen)
  • Wissensautomatisierung (z. B. durch Workflow-Technologie)
  • optimierte Vernetzung (z. B. mit Banken oder Finanzbehörden) und dadurch eine einfachere Übertragung von Daten

Grundsätzlich sehen Experten ein großes Entlastungspotenzial für Steuerkanzleien, indem besonders Routinevorgänge automatisiert oder durch künstliche Intelligenz unterstützt werden können.

Anomalie-Erkennung (für Zoll-Erklärungen)

Im Zollbereich lässt sich dies mit der Anomalie-Erkennung gut umsetzen, denn damit können Steuerberater (aber auch die zuständigen Abteilungen eines Betriebs) leicht Abweichungen feststellen. Das Programm prüft, ob die Zollerklärung den Vorschriften entspricht und Freihandelsabkommen genutzt und eingehalten werden. Dieser automatische Vergleich läuft schneller und sicherer ab, als eine manuelle Prüfung der Vorgaben.

Robotic Process Automation

Bei der Datenerfassung, die in einer Steuerkanzlei zur monotonen Routine gehört und außerordentlich zeitraubend ist, hilft die RPA = Robotic Process Automation. Das bedeutet, dass gewisse Arbeitsabläufe, die immer wiederkehren und stets auf dieselbe Weise auszuführen sind, automatisiert werden können. Am besten geeignet sind dafür die Dokumentenablage oder die Rechnungserstellung, aber auch der Versand von E-Mails.

Wichtig ist, dass alle Prozesse vor dem Einsatz der RPA genau geplant und alle notwendigen Daten von den zuständigen Mitarbeiten korrekt erfasst und aktualisiert wurden. Der Standardversand von Benachrichtigungen kann beispielsweise von Mitarbeitern nur noch vorbereitet und dann angestoßen aber nicht mehr einzeln manuell durchgeführt werden. Der Computer erledigt den Rest anhand vorgegebener Richtlinien dann alleine.

Maschinelles Lernen im Bereich Umsatzsteuer

Die Ermittlung der Umsatzsteuer gehört neben den Punkten Lohn und Zoll zu den Bereichen, in denen das maschinelle Lernen vorrangig eingesetzt wird, auch wenn die Technologie noch nicht dazu in der Lage ist, komplette Vorgänge völlig alleine zu bearbeiten. Wichtig dafür, dass maschinelles Lernen funktioniert, sind generell sich wiederholende, ähnliche Abläufe, die das System vergleichen und übernehmen kann. Bei einmaligen Sonderfällen würde es sich sozusagen „verschlucken“.

Das Ziel soll in diesem Bereich sein, dass alle Daten, die für die Berechnung der Umsatzsteuer maßgebend sind, vom Programm alleine zusammengestellt, strukturiert und ausgewertet werden können, sodass sich am Ende die Umsatzsteuervoranmeldung automatisch erstellen lässt. Dazu muss das System lernen, an welcher Stelle die notwendigen Steuerschlüssel zu finden sind und wo welche Daten stehen, wohin sie zu exportieren oder importieren sind und wie sie für die Berechnung der Steuer strukturiert werden müssen. Vorbereitend kann ein solches Programm in dem Fall die Rechnungen über eine automatische Belegerkennung buchen und zuordnen.

Kognitive Dienste unterstützen die Abläufe

Es gibt bereits eine Vielzahl verschiedener Analysetools, die bei der Verarbeitung von großen Datenmengen behilflich sind. Dabei versuchen die kognitiven Dienste die Steuerberater bei der Vorbereitung verschiedener Standardarbeiten zu unterstützen. Denn die kognitiven Tools, die vom „Cognitive Computing“ herrühren, sollen versuchen, menschliche Denkprozesse und Entscheidungen zu verstehen und zu simulieren. Dadurch können sie vermeintlich menschlich reagieren, was beispielsweise bei Chatbots eingesetzt wird. Diese sollen erste Anfragen mit einfacher Fragestellung beim Erstkontakt auf Webseiten beantworten.

In der Kanzlei können dadurch viele einfach strukturierte Sachverhalte aufgearbeitet werden. Die kognitiven Dienste können dabei auch weitere Arbeitsschritte empfehlen oder nützliche Informationen an der richtigen Stelle beisteuern. Gut einsetzbar sind diese Tools auch bei der Strukturierung und Zuordnungen von Massendaten und der Suche nach Mustern, Anomalien oder falschen Buchungen. Trotzdem stößt die Künstliche Intelligenz auch hier an ihre Grenzen. Denn komplexe Fälle oder gar Sonderfälle mit selten auftauchenden speziellen Buchungen oder Inhalten können von diesen Tools nicht bewältigt werden. Das kann immer nur der menschliche Profi erledigen.

Wissensautomatisierung in der Kanzleiorganisation

Wissensautomatisierung und Workflow ist nicht nur in einer Steuerkanzlei enorm wichtig, sondern in jedem Betrieb, der effektiv arbeiten möchte. Unter dem Workflow – oder auch Workflow-Management – versteht man dabei einen optimalen Arbeitsablauf, der durch die passenden IT-Systeme und Programme unterstützt und ganz oder teilweise automatisiert wird. Die Möglichkeiten hierfür wurden oben bereits zum Teil angesprochen. Ein wichtiger zusätzlicher Punkt ist hier auch die Möglichkeit, Schnittstellen zum Kunden einzurichten, sodass dieser seine vorbereiteten Belege direkt an den Steuerberater übersenden oder über die Cloud zur Verfügung stellen kann.

Optimierte Vernetzung

In diesem Zusammenhang ist eine optimierte Vernetzung wichtig, die nicht nur zum Mandanten besteht, sondern auch zu Behörden. Denn noch effektiver lassen sich Daten und Bescheide übertragen, wenn der Steuerberater auch Schnittstellen zu Banken und Finanzbehörden besitzt. Für den Mandanten wiederum sind diese Schnittstellen ebenfalls vorteilhaft, denn bei der Nutzung verschiedener Buchhaltungssoftwares können sie ihre Bankdaten (online-Banking) bereits in ihre Steuerunterlagen integrieren und direkt an den Steuerberater mit übergeben.

Es gibt vor allem drei wichtige Gründe, die für den Einsatz von KI-Lösungen in der Steuerberatung sprechen. Dort existieren große Datenmengen, es gibt klare Regeln in Form von Vorschriften und Gesetzen und Begriffe werden sehr eng definiert. Aus diesen Gründen bietet der Bereich der Steuerangelegenheiten exzellente Voraussetzungen für die Verwendung von KI.

* Über den Autor

Fabian SilbererFabian Silberer ist Gründer und Geschäftsführer von sevDesk, einer cloudbasierten Buchhaltungssoftware für Selbstständige und Kleinunternehmer. Im Jahr 2013 gründete er zusammen mit seinem damaligen Studienfreund Marco Reinbold das Software-Startup, welches heute mehr als 80.000 Kunden vorweisen kann. Seit Dezember 2019 hat sevDesk eine Partnerschaft mit Wolters Kluwer geschlossen, um deren Plattform Addison für die Zusammenarbeit von Steuerberater und Mandant noch zu erweitern.

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.02.2020, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.