24.09.2020 | Beratertipp

Rückwirkender Splittingtarif für eingetragene Lebenspartnerschaften: Achtung, Fristende!

Teletax

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Gleichgeschlechtliche Paare, die ihre eingetragene Lebenspartnerschaft bis Ende letzten Jahres in eine Ehe umgewandelt haben, haben Anspruch auf den Splittingtarif für die gesamte Dauer ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft und können diesen jetzt auch noch rückwirkend beantragen. Aber Achtung! Die Frist dazu läuft Ende des Jahres ab!

(Foto: © BirgitKorber - iStockphoto.com)

Eingetragene Lebenspartnerschaften konnten seit August 2001 eingegangen werden, seit Oktober 2017 gilt die Ehe für alle; seitdem können gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe schließen. Die Eingehung der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist seit Oktober 2017 nicht mehr möglich, bereits eingegangene Lebenspartnerschaften können in eine Ehe umgewandelt werden.

Einkommensteuerlich wurden eingetragene Lebenspartnerschaften erst 2013 den (verschiedengeschlechtlichen) Eheleuten durch die Gewährung des Splittingtarifs gleichgestellt. Bei Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 war von der damals regierenden rot-grünen Koalition bewusst auf die einkommensteuerliche Gleichstellung zu verschiedengeschlechtlichen Ehen verzichtet worden, denn für die dafür notwendige Änderung des Einkommensteuergesetzes verfügte die rot-grüne Koalition nicht über die notwendige Mehrheit im CDU-dominierten Bundesrat. So blieb es bei der Änderung des bürgerlichen Rechts, die die Koalition auch gegen den Willen der CDU durchsetzen konnte.

Änderung der AO im Jahr 2018

Die steuerliche Ungleichbehandlung wurde erst 2013 aufgrund verfassungsgerichtlicher Entscheidung beendet. Dies berechtigte allerdings nicht zu einer Änderung bereits bestandskräftiger Einkommensteuerfestsetzungen, so dass den meisten eingetragenen Lebenspartnerschaften für die Zeit zwischen 2001 und 2013 der Splittingtarif verwehrt blieb. Durch die Einführung der Ehe für alle durch das Eheöffnungsgesetz und der 2018 in Kraft getretenen Änderung der AO wurde die Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften nachträglich teilweise aufgehoben. 

Anlass für die Änderung der AO war eine umstrittene Entscheidung des FG Hamburg vom 31.7.2018, AZ 1 K 92/18 (wir haben darüber berichtet, vgl. Urteilsbesprechung vom 26.9.2018), in der ein rückwirkender Änderungsanspruch bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide aufgrund des Eheöffnungsgesetzes bejaht wurde. 

Nach der daraufhin eingeführten Änderung der AO wird gleichgeschlechtlichen Eheleuten für die gesamte Dauer der eingetragenen Lebenspartnerschaft der Splittingtarif zugestanden, wenn die Lebenspartnerschaft spätestens Ende 2019 in eine Ehe umgewandelt wurde und der Antrag dazu bis Ende 2020 gestellt wird. Und zwar auch dann, wenn die Einkommensteuer der Betroffenen, was der Regelfall sein dürfte, bereits bestandskräftig festgesetzt wurde.

Anspruch auf die rückwirkende Gewährung des Splittingtarifs

Die Voraussetzungen für die rückwirkende Gewährung des Splittingtarifs läuft Ende diesen Jahres aus. Mandant*innen, die

  1. eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hatten und
  2. diese bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt haben,

können bis zum 31.12.2020 den Antrag stellen, dass ihnen der Splittingtarif auch für die Zeit des Bestehens der eingetragenen Lebenspartnerschaft gewährt wird.

Betroffene Mandantschaft

Der Splittingtarif führt natürlich nur dann zu einer Verringerung der Einkommensteuer, wenn die Beteiligten über unterschiedliche Einkommen verfügen. Dies ist bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht ganz so häufig der Fall wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren. Lagen aber die Einkommen der beiden an der Partnerschaft beteiligten Partner*innen auseinander, kann es sich finanziell lohnen, den Antrag auf rückwirkende Gewährung des Splittingtarifs zu stellen. Sind mehrere Jahre betroffen, etwa, weil die Partnerschaft bereits 2001 oder 2002 eingegangen wurde, können im Einzelfall in der Summe vier- bis fünfstellige Steuererstattungen winken. Es lohnt sich also, die alten Unterlagen zu prüfen und nachzurechnen, ob und ggf. in welchem Umfang der Splittingtarif die Steuerbelastung des Paares insgesamt verringert.

Bestandskraft ist unschädlich

Dabei ist es unschädlich, wenn die Einkommensteuer bereits bestandskräftig festgesetzt wurde; der Antrag auf rückwirkende Bewilligung des Splittingtarifs wird in diesem Fall einem rückwirkenden Ereignis gleichgestellt.

Lassen Sie sich also die Einkommensteuererklärungen und Einkommensteuerbescheide von beiden Beteiligten der betreffenden Jahre – soweit eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt wurde – vorlegen, um zu berechnen, ob der Splittingtarif tatsächlich zu einer geringeren Gesamteinkommensteuerbelastung bei den Beteiligten führt. Wurde keine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt, weil die betroffene(n) Person(en) über keine Einkünfte oder etwa nur solche aus nichtselbständiger Tätigkeit verfügte(n), werden Unterlagen wie etwa die Lohnsteuerbescheinigung benötigt. Einkommen aus Minijobs sind nicht zu berücksichtigen.

Nachzuweisen ist auch die Eingehung der eingetragenen Lebenspartnerschaft und die Umwandlung in eine Ehe bis Ende 2019. Lassen Sie sich dazu die Urkunden vorlegen. Ggf. sollte auch geklärt werden, wie das durch die Inanspruchnahme des Splittingtarifs entstehende Steuerguthaben auf die Eheleute zu verteilen ist.

Praxishinweis: Der Splittingtarif kann auch für Jahre beantragt werden, in denen eingetragenen Lebenspartnerschaften der Splittingtarif bereits offenstand. Wird also jetzt festgestellt, dass beispielsweise 2015 der Splittingtarif einkommensteuerlich günstiger war als die tatsächlich durchgeführte Einzelveranlagung, kann dies bis Ende 2020 korrigiert werden (wenn die Lebenspartnerschaft bis Ende 2019 eine Ehe umgewandelt worden ist).

Zu beachten ist, dass der Antrag auf rückwirkende Gewährung bis zum 31.12.2020 zu stellen ist. Über den bald eintretenden Fristablauf sollten Betroffene zeitnah informiert werden.

 

* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.09.2020, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.