27.05.2021 | Kanzleimanagement

Vier-Tage-Woche: "Führt Ihr jetzt den Kommunismus wieder ein, oder was?!"

DKB

Von Alexandra Buba / Interview mit StB Dmytro Sonkin

Die Kanzlei SKS Steuerberater Sonkin, Seifert und Partner mbB hat die Arbeitszeit aller Partner*innen und Mitarbeiter*innen von 40 auf 34 Stunden reduziert. Das geschah bei vollem Gehaltsausgleich und als Umstellung von der Fünf- auf die Vier-Tage-Woche. Warum die Partner*innen dies getan haben, welches die Auswirkungen auf Produktivität und Motivation sind, und wie es ihnen selbst dabei geht, erzählt StB Dmytro Sonkin.

StB Dmytro Sonkin, SKS Steuerberater
Foto: © StB Dmytro Sonkin, SKS Steuerberater

STB Web:
Herr StB Sonkin, was hat Sie zur Einführung der 4-Tage-Woche veranlasst? 

StB Dmytro Sonkin:
Ein kapitalistischer und ein idealistischer Gedanke: Aus betriebswirtschaftlicher Sicht war klar, dass wir Mitarbeiter*innen brauchen, da wir sehr schnell wachsen. Leider bekamen wir kaum Bewerbungen. Daher war die Frage, wie wir uns von der Konkurrenz abheben können. Der andere Aspekt entsprang meiner persönlichen Erfahrung: Ich komme aus der Big-Four-Welt und habe an irgendeinem Punkt in diesem Fleischfressersystem festgestellt, dass es mehr geben muss als nur Arbeit. Wir alle brauchen auch Entspannung – unsere Mitarbeiter*innen ebenso wie wir selbst.

STB Web:
Wieso haben Sie in der jetzigen Situation Arbeitszeit reduziert getan, wo doch gerade viele Kanzleien über enormen Arbeitszuwachs klagen?

StB Dmytro Sonkin:
Es stimmt, wir haben viel zu tun. Aber momentan rennen wir alle in dieselbe Richtung und haben dasselbe Ziel. Dabei sollten wir lieber mal entschleunigen, das würde uns auf ganz andere Gedanken bringen. Ich kann mit 300 Stundenkilometern auf der Autobahn nicht mehr vorausschauend fahren, dasselbe gilt für die Kanzleiführung.

Mit einem Fingerschnipsen ist das nicht erledigt.

STB Web:
Mussten Sie Ihre Organisation nicht maßgeblich verändern, als Sie vor anderhalb Jahren damit begannen, auf die Vier-Tage-Woche umzustellen?

StB Dmytro Sonkin:
Absolut. Mit einem Fingerschnipsen ist das nicht erledigt. Wir wollten ja trotz Arbeitszeitreduktion nicht an Produktivität verlieren und umgekehrt auch ganz klar nicht Gefahr laufen, dass die Vier-Tage-Woche nur auf dem Papier steht und alle trotzdem 40 oder 45 Stunden arbeiten. Also mussten wir ganz akribisch nach Zeitfressern suchen und diese eliminieren.

STB Web:
Was sind denn die größten Zeitfresser in einer Kanzlei?

StB Dmytro Sonkin:
Am Problematischsten sind die ständigen Anrufe und die E-Mails, bei denen man dazu neigt, sie sofort zu beantworten. Dabei kann eine E-Mail gar nicht dringend sein, sonst würde der Betreffende ja direkt anrufen. Und selbst bei den Anrufen liegt die Quote der wirklich dringenden etwa bei 0,5 Prozent. Wir haben daher E-Mail- und anruffreie Zeiten geschaffen, in denen konzentriertes, störungsfreies Arbeiten möglich ist.

STB Web:
Und das genügt, um die Produktivität bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitszeit um 15 Prozent beizubehalten?

StB Dmytro Sonkin:
Ja! Ich erlebe das selbst, wenn ich von Dresden nach Berlin im Zug sitze, um an unseren Zweit-Standort zu fahren. Auf dieser Strecke ist die Internetverbindung so schlecht, dass ich gleich offline bleibe – und in anderthalb Stunden 100 E-Mails beantworten kann oder eine Stellungnahme schreibe. Außerdem muss ich ganz ehrlich sein: Wir haben eine Marge, die es uns erlaubt, auch einen geringen Produktivitätsverlust zu verkraften. Dafür geht es uns ja allen besser – wir haben mehr Zeit für unsere Freunde, Familien und Hobbys.

Die Zahl der Bewerbungen wächst.

STB Web:
Wie haben die Mitarbeiter*innen denn reagiert, als sie das erste Mal von ihren Plänen hörten?

StB Dmytro Sonkin:
Die konnten erst nicht glauben, dass dies alles funktioniert, aber haben sich natürlich sehr gefreut, plötzlich wahlweise den Montag oder den Freitag bei vollem Gehalt freizuhaben. Und natürlich haben wir unser Ziel erreicht: Die Zahl der Bewerbungen wächst, wenngleich ich natürlich sagen muss, dass eine Vier-Tage-Woche zwei Arten von Leuten anzieht: diejenigen, die motiviert sind und arbeiten wollen und solche, die das genau nicht sind. Aber hier glauben wir, unterscheiden zu können.

STB Web:
Was halten Mandant*innen von Ihrem Schritt?

StB Dmytro Sonkin:
Wir haben die Mandant*innen ja schon mal vorgewarnt, viele fanden es direkt super, weil sie das gern in ihren eigenen Branchen auch verwirklichen würden. Natürlich gab es auch Sticheleien, nach dem Motto: 'Führt Ihr jetzt den Kommunismus wieder ein, oder was?!'. Was wir aber wirklich gar nicht erlebt haben, war echte Empörung. Es ist ja nicht so, dass wir gar nicht erreichbar wären – es gibt immer einen rollierenden Notdienst. Unsere Mandant*innen vertrauen uns.

STB Web:
Was hat Sie persönlich am meisten überrascht?

StB Dmytro Sonkin:
Ich hätte ganz ehrlich nicht damit gerechnet, dass die Mitarbeiter*innen am Anfang auch skeptisch reagieren. Das zeigt mir, wie verantwortungsvoll die Leute mit diesen Themen umgehen.

Wir leben nach dem Prinzip 'Stärken stärken'.

STB Web:
Gibt es noch weitere Aspekte, bei denen Sie sich in der Personalführung von anderen Kanzleien unterscheiden?

StB Dmytro Sonkin:
Wir leben nach dem Prinzip 'Stärken stärken'; wenn Sie stattdessen versuchen, Schwächen auszumerzen, sind Sie anschließend so gut wie alle anderen, aber eben nicht besser. Außerdem sind wir insgesamt sehr flexibel und geben unseren Mitarbeiter*innen zum Beispiel keine Kernarbeitszeiten vor. Wir versuchen äußerst familienfreundlich zu sein und haben während der Pandemie Homeoffice für alle ermöglicht. Das alles folgt im Grunde einer Mission, die wir haben: die Arbeitswelt vielleicht doch ein Stück besser zu machen.

 

StB Dmytro SonkinDmytro Sonkin ist Diplom-Betriebswirt (BA), Steuerberater und Managing Partner der SKS Steuerberater Sonkin, Seifert und Partner mbB (www.sks-stb.de) mit Sitz in Dresden und Berlin. Die Kanzlei beschäftigt aktuell 26 Mitarbeiter*innen.

Alexandra BubaDas Gespräch führte Alexandra Buba. Sie ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com) und schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.




Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.05.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.