23.09.2021 | Fachartikel

Vertragspartner in der Krise – was tun?

Von RA Dr. jur. Norman Häring, Fachanwalt für Insolvenzrecht

Durch die Dauer der COVID-19-Pandemie und die in der Vergangenheit immer wieder verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Verbindung mit den finanziellen Hilfsmaßnahmen der Regierung hat sich eine unübersichtliche Marktlage entwickelt. Viele Unternehmen werden künstlich am Leben gehalten, agieren weiter am Markt und bilden den Nährboden für "Ansteckungspotentiale" gesunder Unternehmen. Wie können diese sich schützen?

RA Dr. jur. Norman Häring
Foto: RA Dr. jur. Norman Häring

Durch enge Bindungen zu Vertragspartnern können auch gesunde Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, wenn Vertragspartner in die Krise geraten. Die vielfach beschriebenen sogenannten "Zombie-Unternehmen" verschärfen die Situation dabei noch, da das Erkennen von sich in der Krise befindlichen Kunden aktuell und zukünftig große Herausforderungen an Unternehmer*innen und Unternehmen stellt und auch weiter stellen wird. Es gibt jedoch Instrumente und präventive Maßnahmen, mit denen Kollateralschäden im eigenen Unternehmen oftmals verhindert werden können.

Die Insolvenzwelle kommt wahrscheinlich

Gerät ein größeres Unternehmen in eine (existentielle) Krise oder gar in die Insolvenz, zieht dies oftmals eine ganze Reihe von Vertragspartnern mit sich. Zwar ist eine große Insolvenzwelle bislang ausgeblieben, allerdings mehren sich die Anzeichen für eine Vielzahl von gefährdeten Unternehmen im Markt. So sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), in einem Interview mit dem FOCUS Magazin im August 2021, die Frage sei nicht, ob eine Insolvenzwelle komme, offen sei "nur, wann sie kommt und wie stark sie ausfallen wird".

Um das eigene Unternehmen insbesondere vor Zombie-Unternehmen zu schützen, die – gestützt durch die staatlichen Maßnahmen – jedoch ohne tragfähiges Geschäftsmodell am Markt operieren, gilt es, Risiken möglichst früh zu erkennen und rechtzeitig präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Innerhalb der sechs Krisenstadien nach dem Standard des IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer) – Stakeholder Krise, Strategiekrise, Produkt- und Absatzkrise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise sowie Insolvenz – ist die Krise durch sich verschlechternde Geschäftsergebnisse oftmals erst ab dem Stadium der Erfolgskrise erkennbar. Denn auch in Zeiten von COVID-19 entstehen Unternehmenskrisen nicht über Nacht, sondern entwickeln sich schleichend mit entsprechenden Alarmsignalen und Warnzeichen. Sollten sich in bisher stabilen Geschäftsbeziehungen bestimmte Veränderungen ergeben, ist entsprechende Vorsicht geboten.

Auf klassische Krisen-Indikatoren achten

Wichtige Krisen-Indikatoren, auf die geachtet werden sollte, sind:

  • Häufig wechselnde und plötzlich schwer erreichbare Ansprechpartner*innen.
  • Ungewöhnliche Fluktuationen im Management oder bei den Mitarbeitenden.
  • Entscheidungsstau auf Leitungsebene.
  • Verändertes Zahlungsverhalten, andere Zahlungswege, Ersuchen um Stundungen oder Ratenzahlung, Zahlung durch Dritte.
  • Gerüchte in Wirtschaftskreisen, entsprechende Berichte in den Medien.
  • Streit im Gesellschafterkreis.
  • Konflikte im Stakeholderkreis (Betriebsrat, Banken, Kunden, Lieferanten).
  • Gesundheitsprobleme des Unternehmers/der Unternehmerin.
  • Große Abhängigkeiten von wenigen Kunden oder Lieferanten.
  • Vernachlässigung der Digitalisierung.
  • Aufbau von Beständen.
  • Rückgang der Kapazitätsauslastung.
  • Erhöhung der Lagerzeiten.

Um die aufgeführten Anzeichen frühzeitig zu erkennen, müssen Unternehmer*innen im eigenen Unternehmen entsprechende Frühwarnsysteme installiert haben und diese im Blick haben. Insbesondere die steuerlich Beratenden spielen eine wichtige Rolle, haben sie doch Einblick in die relevanten Vorgänge, können frühzeitig Indikatoren erkennen und entsprechende Hinweise geben.

Maßgeblich für die Vorgehensweise sind die eigenen Prioritäten

Mehren sich die Anzeichen einer Krise bei einem Vertragspartner, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen daraus für das eigene Unternehmen zu ziehen sind. Hier gibt es keine allgemeinverbindlichen Regeln, sondern nur individuelle Abwägungen; welche Schritte eingeleitet werden, hängt jeweils von den eigenen Prioritäten ab. Liegt das Hauptaugenmerk eher darauf, Rückstände zeitnah zu begrenzen, wird die Realisierung von rückständigen Forderungen im Zweifel Vorrang vor dem dauerhaften Erhalt der Geschäftsbeziehung haben. Steht jedoch die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Fokus, wird der Vertragspartner in der Regel auch zu Einschnitten bereit sein und es gilt dabei, neben dem Vorhandensein eines Sanierungskonzepts, die Sicherstellung von eigenen Rechten, etwa durch die Vereinbarung von (werthaltigen) Drittsicherheiten, zu vereinbaren. 

Sicherheiten und Lösungsklauseln vereinbaren

Grundsätzlich ist zu empfehlen, sich bereits im Vorfeld einer Geschäftsanbahnung abzusichern, um das eigene Risiko zu minimieren. Verträge sollten von Beginn an immer mit dem Hintergrund einer Krise oder gar eines möglichen Insolvenzszenarios der Geschäftspartner gestaltet werden. Dabei ist in erster Linie an anfechtungsfeste Vereinbarungen von Sicherheiten zu denken sowie daran, eventuell Lösungsklauseln zu vereinbaren. Allerdings ist zu beachten, dass nicht ohne weiteres grundsätzliche Lösungsklauseln für den Fall einer Insolvenz formuliert werden können. Vor allem bei Großgeschäften können und sollten auch in der Insolvenz wirksame Sicherungs- oder Absonderungsrechte rechtzeitig vereinbart werden, damit man nicht einzig auf eine Insolvenzforderung verwiesen wird. Zu beachten sind hier jedoch auch die Gefahren, die beispielsweise durch die Anfechtung eines Insolvenzverwalters drohen können. Insofern gilt es, eigene Sicherungsrechte so früh wie möglich – und nicht erst in einem späteren Krisenstadium – zu vereinbaren.

Proaktives Handeln

Deuten sich Schwierigkeiten an, muss aktiv auf den Kunden zugegangen und über Lösungen gesprochen werden. Hierbei kann man, gegebenenfalls unter Einbeziehung von externen Expert*innen, besprechen, ob bereits Sanierungsmöglichkeiten geplant sind oder sinnvollerweise auf den Weg gebracht werden sollten. Hierfür stehen seit Anfang des Jahres das vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren (StaRUG) und – wie bisher – das Eigenverwaltungsverfahren, aber auch ein Regelinsolvenzverfahren zur Verfügung. Auf jedes dieser Verfahren sollte man gut vorbereitet sein, um seine Rechte zu sichern und das eigene Unternehmen bestmöglich zu schützen.

Liegt bereits ein Insolvenzantrag vor, zählen vor allem Schnelligkeit und Kommunikation. Wurde durch das Gericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachwalter bestellt, sollte man als Gläubiger umgehend auf diesen oder – in der Eigenverwaltung – auf den Unternehmer/die Unternehmerin selbst oder eine mögliche sanierungsgeschäftsführende Person zugehen. Auch die vereinbarten Sicherungsrechte sind schnellstmöglich anzuzeigen. Je früher gemeinsame Lösungsmöglichkeiten besprochen werden, desto mehr Handlungsoptionen bestehen.

Über den Autor:

RA Dr. jur. Norman HäringDr. jur. Norman Häring ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht sowie Partner bei Tiefenbacher Rechtsanwälte • Steuerberater (www.tiefenbacher.de) am Standort Stuttgart. Er verfügt über 16 Jahre Erfahrung als Restrukturierungs- und Sanierungsexperte sowie überregional bestellter Insolvenzverwalter. E-Mail: haering@tiefenbacher.de.

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.09.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.