29.09.2022 | Gestaltungsberatung

Jahressteuergesetz 2022: Empfehlungen zur Rentenversicherung

DKB

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Durch das Jahressteuergesetz 2022 soll der Abzug von Vorsorgeaufwendungen bereits ab 2023 in Höhe von 100 Prozent möglich sein. 2022 sind es noch 94 Prozent. Deshalb stellt sich für die Mandantschaft die Frage, ob freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung, die für 2022 geplant waren, besser in das Jahr 2023 verlagert werden sollten. Der Beitrag zeigt, welche Faktoren hierbei in der Gestaltungsberatung zu prüfen und zu berechnen sind.

(Foto: © iStock.com/Dutko)

Beispiel: Die ledige 35-jährige Architektin A hat sich vor einem Jahr selbständig gemacht und zahlt entsprechend ihrer Einkommenssituation monatlich 350 EUR Pflichtbeiträge in das Versorgungswerk ein. Aufgrund einer Erbschaft plant sie, jährlich 19.000 EUR als freiwillige Beiträge in das Versorgungswerk einzuzahlen. Sie fragt sich, was besser ist:

a) 2022 und 2023 jeweils 19.000 Euro einzuzahlen oder
b) 2023 dann 38.000 Euro?

Vor ihrem Studium hatte A eine Ausbildung zur Schreinerin gemacht, fünf Jahre angestellt gearbeitet und Beiträge in die deutsche Rentenversicherung eingezahlt. 

Zunächst ist rentenrechtlich zu prüfen, ob freiwillige Beiträge überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe möglich sind. Bei den Versorgungswerken sind freiwillige Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Höhe von 150 Prozent des Regelbeitrags möglich. Im Fall von A könnte sie jährlich – neben ihren Pflichtbeiträgen von 4.800 Euro – zusätzlich 18.803 EUR an freiwilligen Beiträgen einzahlen. Daneben könnte sie auch noch freiwillige Beiträge in die deutsche Rentenversicherung einzahlen, im Jahr jedoch höchstens 15.735,60 Euro (= monatlich 1311,30 Euro). Rentenrechtlich könnte sie also insgesamt noch 34.628,60 EUR in ihr Versorgungswerk und in die deutsche Rentenversicherung einzahlen.

Neben Beiträgen zur Deutschen Rentenversicherung und den Versorgungswerken berechtigen insbesondere auch Beiträge zu sogenannten Basisrentenversicherungen oder Rürup-Renten zum Sonderausgabenabzug.

Deckelung des Sonderausgabenabzugs durch Höchstbetrag

Steuerlich ist der Abzug von Rentenversicherungsbeiträgen allerdings gedeckelt: 2022 auf 25.639 Euro bei Einzelveranlagung und 51.278 Euro bei Zusammenveranlagung (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG, Höchstbetrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung).

Beispiel: A kann zwar rentenrechtlich noch freiwillig Beiträge in Höhe von maximal 34.628,60 Euro in ihr Versorgungswerk beziehungsweise die deutsche Rentenversicherung einzahlen, steuerlich würden aber maximal 25.639 Euro als Sonderausgaben anerkannt. Darüber hinausgehende Beiträge würden sich nicht einkommensteuermindernd auswirken. Wäre A verheiratet oder verpartnert, würde der abziehbare Betrag bei Zusammenveranlagung auf 51.278 Euro für beide steigen.

Absenkung des Deckelungsbetrags bei verbeamteten oder beamtenähnlichen Steuerpflichtigen

Der vom Fiskus anerkannte Höchstbetrag klingt zunächst recht hoch. Er kann jedoch bei steuerpflichtigen Personen, die Anspruch auf steuerbefreite Leistungen zur Sozialversicherung haben, abgesenkt werden (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 EStG). Davon betroffen sind vor allem verbeamtete Steuerpfichtige, Richter*innen, Soldat*innen auf Zeit, Geistliche öffentlich-rechtlich anerkannnter Körperschaften und auch Personen, bei den die Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Regelungen erfolgt, wie etwa bei Lehrer*innen von Privatschulen. Im Rahmen einer fiktiven Berechnung ist zu ermitteln, in welcher Höhe Beiträge zur Rentenversicherung anfallen würden, wenn durch den Arbeitgeber für diesen Personenkreis Rentenversicherungsbeiträge abzuführen wären. Um diesen Beitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) ist der Höchstbetrag zu mindern.

Abwandlung des Beispiels: A ist als Beamtin in einem städtischen Bauamt tätig und erzielt 2022 ein monatliches Gehalt von 5.000 EUR. Beiträge zur Rentenversicherung werden von ihrem Gehalt nicht abgeführt, sie erhält aber als Beamtin steuerfreie Anwartschaften auf eine Altersversorgung. Deshalb ist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 Ziff. 1a EStG der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug um den fiktiven Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag zu kürzen. Es ergibt sich folgende Berechnung:

Fiktiver Rentenversicherungsbeitrag 18,6 Prozent auf 5.000 Euro = 930 Euro x 12 Monate = 11.160 Euro.

Das bedeutet, dass der für 2022 geltende Höchstbetrag für Ledige von 25.639 Euro um 11.160 Euro zu kürzen ist; steuerlich als Sonderausgaben würden 2022 für A lediglich 11.479 Euro anerkannt. Zahlt sie mehr in die Rentenversicherung ein, ist der über 11.479 Euro hinausgehende Betrag nicht als Sonderausgaben abziehbar.

Diese Zusammenhänge sind zu berücksichtigen, wenn es um die Frage geht, ob Beitragszahlungen in das Jahr 2023 verlagert werden sollen.

Gestaltungsüberlegungen

Vor dem Hintergrund der Höchstbetragsregelung ist es nicht in jedem Fall sinnvoll, alle für 2022 geplanten freiwilligen Zahlungen in die Rentenversicherung auf das Jahr 2023 zu verlagern.

  1. Sind die freiwilligen Zahlungen so gering, dass durch sie nicht der knappschaftliche Höchstbetrag, der 2022 bei 25.639 Euro lag, in 2023 überschritten ist, ist eine Verlagerung der Zahlung in das Jahr 2023 grundsätzlich sinnvoll. Denn bei Zahlung in 2023 können 100 Prozent der Beiträge als Sonderausgaben abgezogen werden, in 2022 lediglich 94 Prozent.
  2. Sollte allerdings – etwa wegen der Geburt eines Kindes 2023 – der persönliche Steuersatz 2023 gegenüber 2022 erheblich sinken, kann es sinnvoll sein, die Beiträge doch im Jahr 2022 zu zahlen. Es ist also notwendig, bei jeder einzelnen Person zu prüfen, welche Variante steuerlich günstiger ist.
  3. Wird durch die freiwillige Zahlung der Höchstbetrag 2023 voraussichtlich überschritten, ist es aus steuerlicher Sicht sinnvoll, einen Teil der geplanten Zahlung noch 2022 in die Rentenversicherung einzuzahlen. Zur Optimierung ist der für 2023 individuell geltende Höchstbetrag zu berechnen und der Betrag, um den der Höchstbetrag überschritten wird, im Jahr 2022 einzuzahlen. Voraussichtlich beträgt 2023 der knappschaftliche Höchstbetrag West 26.528 Euro (West). Für die Berechnung des Höchstbetrags nach § 10 Abs. 3 Satz 3 EStG gilt dieser Betrag bundesweit.

Fortsetzung Beispielsabwandlung: Das Gehalt von A wird 2023 nicht erhöht werden, allerdings wird voraussichtlich der Beitragssatz zur Rentenversicherung auf 18,7 Prozent steigen. Somit beträgt der fiktive Rentenversicherungsbeitrag 2023 für A bei einem Jahresgehalt von 60.000 Euro 11.220 Euro. Der für 2023 voraussichtlich geltende Höchstbetrag verringert sich dadurch auf 14.308 Euro.

Wenn A plant, für 2022 und 2023 insgesamt nicht mehr als 14.308 EUR freiwillig in die Rentenversicherung einzuzahlen, die dem Grunde nach zum Sonderausgabenabzug berechtigt sind, kann es sinnvoll sein, die Beiträge insgesamt in 2023 zu zahlen, da sie 2023 100 Prozent Beiträge abziehen kann, während sie 2022 lediglich 94 Prozent der Beiträge steuerlich geltend machen kann.

Hinweis: Bei den vorgenannten Gestaltungsempfehlungen handelt es sich nur um allgemeine Hinweise. In der steuerlichen Beratung sollte unbedingt eine konkrete Berechnung vorgenommen werden. Denn auch wenn in 2022 nur 94 Prozent der Beiträge abziehbar sind, kann aufgrund des progressiven Steuersatzes eine Verteilung der Beitragszahlungen auf zwei Jahre sinnvoller sein, auch wenn dadurch in 2022 6 Prozent der Beiträge nicht abziehbar sind.

Fazit:

Ob freiwillige Beiträge zu einer Rentenversicherung, die zu einem Sonderausgabenabzug berechtigen, vor dem Hintergrund der Einführung eines 100-prozentigen Abzugs ab 2023 in das Jahr 2023 verlagert werden sollen, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

1. Höchstbetragsregelung

Zu beachten ist dabei zunächst insbesondere die Höchstbetragsregelung. Denn Beiträge zur Rentenversicherung sind nur bis zum Höchstbetrag als Sonderausgaben abziehbar. Dieser liegt 2022 bei 25.639 Euro für Ledige und 51.278 Euro bei zusammenveranlagten Steuerpflichtigen und steigt 2023 voraussichtlich auf 26.528 Euro für Ledige (53056 EUR bei Zusammenveranlagten). Dieser Höchstbetrag wird bei bestimmten Personengruppen gekürzt, insbesondere bei verbeamteten oder beamtenähnlichen Steuerpflichtigen.

2. Progressionswirkung

Spricht wegen der höheren Abzugsfähigkeit 2023 viel für eine Verlagerung von Beitragszahlungen in das Jahr 2023, sollte neben der Berücksichtigung der Höchstbetragsregelung auch die Progressionswirkung bei einer Verlagerung beachtet werden. Denn es ist denkbar, dass es trotz des um 6 Prozent geringeren Abzugs 2022 günstiger ist, die Zahlungen auf zwei Jahre zu verteilen, um jeweils die Spitzensteuersätze abzusenken, als die Gesamtzahlung ausschließlich 2023 zu tätigen. Hierzu ist eine individuelle Betrachtung und Berechnung erforderlich. Dazu zählen auch die Fälle, in denen eine Verlagerung in das Jahr 2023 wegen einer Absenkung des persönlichen Steuersatzes aus persönlichen Gründen 2023 nicht sinnvoll ist.

3. Rentenrechtliche Regelungen

Wer freiwillige Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung oder in ein Versorgungswerk leisten möchte, sollte vorab auch prüfen, ob freiwillige Beiträge überhaupt möglich sind und wenn ja, welche Höchstbeträge jährlich gelten. Gerade bei älteren Versicherten werden bei Versorgungswerken freiwillige Beiträge häufig nicht mehr akzeptiert. Sind freiwillige Beiträge dort nicht möglich, kann dies bei Bedarf durch Abschluss einer privaten Basisrentenversicherung kompensiert werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob Zahlungen dazu noch 2022 beginnen sollen oder erst 2023.

* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 29.09.2022, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.