26.01.2023 | FG Berlin-Brandenburg

Zugangsvermutung bei regelmäßig zustellungsfreien Tagen

DKB

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten 3-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Postzustellung stattfindet.

Das Finanzamt erließ am 15.6.2018, einem Freitag, gegenüber der Klägerin einen Einkommensteuerbescheid und übersandte ihn unmittelbar an diese. Sie war jedoch vom 2.5.2018 bis 19.6.2018 (Tag der Rückkehr) beruflich von ihrer Wohnung abwesend. Am 19.6.2018 übersandte sie schließlich den Steuerbescheid per Telefax an eine Steuerberatungsgesellschaft, die am 19.7.2018 Einspruch einlegte und angab, dass der Bescheid am 19.6.2018 eingegangen sei. Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig, da die Zugangsvermutung innerhalb der 3-Tages-Frist des am 15.6.2018 im Wege des Zentralversands übergebenen Bescheides durch den Vortrag der Klägerin nicht erschüttert werde und die Einspruchsfrist daher am 18.7.2018 abgelaufen sei.

Zugangsvermutung war nicht anzuwenden

Das Gericht hat mit Urteil vom 24.8.2022 (Az. 7 K 7045/20) entschieden, dass hier die Zugangsvermutung nicht anzuwenden sei, weil die Zeugenvernehmung ergeben habe, dass an der Wohnung der Klägerin innerhalb der 3-Tages-Frist nach dem 15.6.2018 regelmäßig nicht an allen Werktagen von dem Postdienstleistungsunternehmen zugestellt worden sei. Zwar finde die Zugangsvermutung auch Anwendung, wenn – z.B. wegen mehrerer arbeitsfreier Tage oder Personalausfall – innerhalb der 3-Tages-Frist an zwei Tagen keine Zustellung stattfinde; so werde etwa bei Aufgabe zur Post am Freitag, den 30. April trotz des Feiertags am 1. Mai der Zugang am Montag, dem 3. Mai grundsätzlich vermutet. Insoweit handele es sich jedoch um Sonderkonstellationen, die die grundsätzliche Anwendung der Zugangsvermutung nicht in Frage stellen würden. Anders sei dies jedoch, wenn innerhalb der 3-Tages-Frist planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Zustellung erfolge.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 18/22 anhängig.

(FG Berlin-Brandenburg / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.01.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.