26.09.2024 | Fachartikel
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls
Mit dem Ablauf der letzten Frist zur Einreichung der Schlussabrechnungen am 30.09.2024 beginnt für viele Unternehmen und ihre prüfenden Dritten eine Phase der Ungewissheit. Wie gehen die Bewilligungsstellen mit den eingereichten Unterlagen um? Welche Nachfragen sind zu erwarten? Und wie sollten prüfende Dritte auf mögliche Probleme reagieren? Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Praxis der Bewilligungsstellen und bietet Handlungsempfehlungen für prüfende Dritte.
Unser Eindrücke aus der Praxis sind: Die Prüfungspraxis der Bewilligungsstellen hat sich seit Beginn der Corona-Hilfen deutlich verschärft. Alle Schlussabrechnungen werden händisch bis ins Detail geprüft. Es werden konsequent neue Leitlinien des BMWK umgesetzt, zum Beispiel beim Thema "Unternehmensverbund/Familie" oder bei "Einzelunternehmen mit mehreren Firmen". Alles wird auf den Prüfstand gestellt, z.B. "coronabedingter Umsatzeinbruch" oder "Anerkennung von Fixkosten".
Diese intensive Prüfung führt zu einer Vielzahl von Nachfragen und potenziellen Problemen für die Antragsteller.
Im Rahmen der Schlussabrechnung werden regelmäßig folgende Unterlagen von den Bewilligungsstellen angefordert:
Einige Themen bereiten in der Praxis besonders häufig Probleme:
a) Unternehmensverbund: Die Frage, ob ein Unternehmensverbund vorliegt, wird von den Bewilligungsstellen sehr kritisch geprüft. Insbesondere bei familiären Strukturen gehen die Behörden oft von einem Verbund aus, was zu erheblichen Kürzungen der Förderung führen kann.
b) Coronabedingter Umsatzeinbruch: Die Bewilligungsstellen prüfen intensiv, ob der Umsatzrückgang tatsächlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist oder andere Gründe hat.
c) Fixkosten: Die Anerkennung bestimmter Fixkosten, insbesondere Beraterhonorare und Umbaukosten, wird kritisch hinterfragt.
d) Überkompensation: Insbesondere bei der November- und Dezemberhilfe wird geprüft, ob es zu einer Überkompensation gekommen ist.
Bei Nachfragen der Bewilligungsstellen sollten prüfende Dritte folgende Punkte beachten:
a) Fristen einhalten: Nehmen Sie im Portal gesetzte Fristen für die Beantwortung von Nachfragen ernst. Bitte beantragen Sie bei Nachfragen, die Sie nicht rechtzeitig beantworten können, vorsorglich die Fristverlängerung. Gewährt werden in der Regel drei Wochen, vereinzelt haben wir schon Fristverlängerungen von sechs Wochen gesehen.
b) Umfassende Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Schritte der Beratung und Bearbeitung der Schlussabrechnung, um im Streitfall abgesichert zu sein. Dokumentieren Sie einen telefonischen Kontakt zur Hotline oder der Bewilligungsstelle.
c) Transparente Kommunikation: Arbeiten Sie mit umfangreichen Informationen, um Sachverhalte zu erklären. Sie können auch Eingaben per Post oder Telefax machen. Es handelt sich um förmliche Verwaltungsverfahren. Nach §§ 24, 25 VwVfG müssen diese Erklärungen aus unserer Sicht berücksichtigt werden.
In bestimmten Situationen ist es dringend anzuraten, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen:
a) Komplexe rechtliche Fragen: Insbesondere bei Fragen zum Unternehmensverbund oder zur Coronabedingtheit von Umsatzeinbrüchen kann eine rechtliche Expertise erforderlich sein. DIes gilt umso mehr, als nach dem neuen Leitfaden des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nunmehr auch „atypische Fälle“ ausführlich rechtlich und tatsächlich begründet werden müssen.
b) Hohe Rückforderungen: Bei drohenden hohen Rückforderungssummen sollten Sie dem Mandanten unbedingt nahelegen, anwaltlichen Rat einzuholen. Wenn Sie selbst beraten, gehen Sie auch selbst in die Verantwortung und Haftung.
c) Vorbereitung auf mögliche Rechtsstreitigkeiten: Eine frühzeitige Einbindung eines Anwalts kann die Position in einem möglichen späteren Rechtsstreit stärken.
Ein wichtiger Aspekt, den prüfende Dritte beachten müssen, ist der Unterschied beim Sachverhaltsvortrag zwischen dem Schlussabrechnungsverfahren und einem möglichen späteren Klageverfahren:
Das Verwaltungsverfahren, welches sowohl die Schlussabrechnung als auch das Widerspruchsverfahren umfasst, zielt darauf ab, den vollständigen Sachverhalt zu ermitteln und eine rechtliche Bewertung vorzunehmen. An diesem Verfahren sind der Antragsteller, der prüfende Dritte und die Bewilligungsstelle beteiligt. Ein zentraler Grundsatz ist dabei die Amtsermittlung gemäß § 24 (Landes-)VwVfG, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Ein wichtiger Aspekt dieses Verfahrens ist, dass der Sachverhaltsvortrag jederzeit möglich ist und von der Behörde berücksichtigt werden muss. Dies ermöglicht es den Beteiligten, auch im Laufe des Verfahrens noch relevante Informationen einzubringen und den Sachverhalt zu ergänzen oder zu präzisieren.
Im Gegensatz zum Verwaltungsverfahren hat das Klageverfahren einen anderen Fokus und unterliegt anderen Regeln. Sein primärer Zweck ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, wobei das Gericht eine rechtliche Bewertung des im Verwaltungsverfahren ermittelten Sachverhalts vornimmt. Die Beteiligten in diesem Verfahren sind der Kläger, die beklagte Behörde und das Gericht. Ein wesentlicher Unterschied zum Verwaltungsverfahren besteht darin, dass im Klageverfahren grundsätzlich keine erneute Sachverhaltsermittlung stattfindet und auch kein neuer Sachverhaltsvortrag möglich ist.
Diese Unterscheidung ist von entscheidender Bedeutung: Im Verwaltungsverfahren besteht noch die Möglichkeit, den Sachverhalt umfassend darzulegen und zu ergänzen. Im Klageverfahren hingegen ist der Sachverhaltsvortrag stark eingeschränkt.
Daraus ergibt sich für prüfende Dritte die wichtige Konsequenz, dass Sie ihre Mandanten dazu bringen sollten, frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Anwalt kann bereits im Verwaltungsverfahren dazu beitragen, den Sachverhalt so vollständig und rechtlich präzise wie möglich darzustellen. Dies kann entscheidend sein, falls es später zu einem Klageverfahren kommt, in dem neue Tatsachen nur noch sehr eingeschränkt vorgebracht werden können.
Das Widerspruchsverfahren stellt einen wichtigen Zwischenschritt zwischen dem Verwaltungsverfahren und einem möglichen Klageverfahren dar. Es unterliegt bestimmten Grundsätzen und formalen Anforderungen. In der Regel muss der Widerspruch innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts eingelegt werden. Das Ziel dieses Verfahrens ist die Aufhebung oder Änderung des ursprünglichen Verwaltungsakts. Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Widerspruch gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat.
Bei der Einlegung des Widerspruchs ist besondere Sorgfalt geboten. Eine einfache E-Mail reicht nicht aus und ist formunwirksam. Stattdessen wird dringend empfohlen, den Widerspruch in Schriftform einzureichen. Dies kann per Post oder Telefax erfolgen, wobei beim Faxversand das Sendeprotokoll aufbewahrt werden sollte. Zur zusätzlichen Sicherheit ist ein Einwurf-Einschreiben ratsam. Eine elektronische Einreichung ist nur dann zulässig, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist und diese Form der Einreichung von der Behörde akzeptiert wird. Diese formalen Anforderungen sind unbedingt zu beachten, um die Wirksamkeit des Widerspruchs sicherzustellen.
Achtung: Das Widerspruchsverfahren ist in vielen Bundesländern abgeschafft worden, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Bayern. Hier muss gleich Klage erhoben werden. Achten Sie auf die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid.
Wenn das Widerspruchsverfahren nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, steht als letztes Rechtsmittel das Klageverfahren zur Verfügung. Gleiches gilt, wenn das Widerspruchsverfahren wie etwa in Bayern abgeschaffen wurde.
Auch hier gilt eine Frist von in der Regel einem Monat, die mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids bzw. des ablehnden Bescheides beginnt. In Bundesländern, in denen kein Widerspruchsverfahren vorgesehen ist, läuft diese Frist ab Bekanntgabe des ursprünglichen Bescheides. Das Ziel einer Klage ist die gerichtliche Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsakts. Im Gegensatz zum Widerspruchsverfahren ist das Klageverfahren mit zu kalkulierenden Kosten verbunden. Diese setzen sich aus den Gerichtskosten und möglichen Anwaltskosten zusammen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass auch die Klage, wie schon der Widerspruch, gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat. Dies bedeutet, dass der angefochtene Verwaltungsakt während des laufenden Verfahrens keine Wirksamkeit entfaltet.
Es gibt einige Gründe, die dafür sprechen könnten, dass ein Steuerberater selbst das Widerspruchs- und Klageverfahren betreut:
a) Detaillierte Kenntnis des Sachverhalts
b) Vertrauensverhältnis zum Mandanten
c) Kosteneinsparung für den Mandanten
Es gibt gewichtige Gründe, warum Steuerberater*innen von einer eigenen Klageerhebung absehen sollten. Zunächst fehlt ihnen oft die notwendige juristische Expertise im Verwaltungs- und Prozessrecht, was zu schwerwiegenden Fehlern führen kann. Prozessuale Fristen und formale Anforderungen könnten übersehen oder falsch gehandhabt werden, was im schlimmsten Fall zur Abweisung der Klage bzw. des Widerspruchs führen kann. Zudem erfordert die Führung eines Verwaltungsgerichtsverfahrens taktisches Geschick und Erfahrung, die Steuerberater*innen in der Regel nicht besitzen.
Ein weiteres Problem ist der potenzielle Rollenkonflikt. Die Kernkompetenzen von Steuerberater*innen liegen in der finanziellen und steuerlichen Beratung. Die Übernahme juristischer Aufgaben könnte zu Interessenkonflikten führen und die eigentlichen Aufgaben vernachlässigen lassen. Auch das Kostenrisiko ist nicht zu unterschätzen. Fehler im Verfahren können zu erheblichen zusätzlichen Kosten für die Mandant*innen führen, sei es durch verlorene Prozesse oder nachträgliche Korrekturen.
Besonders gravierend sind die Haftungsrisiken. Wenn Steuerberater*innen rechtliche Aufgaben übernehmen und dabei Fehler machen, können sie sich haftbar machen. Dies kann nicht nur finanzielle, sondern auch erhebliche berufliche Konsequenzen haben.
Bei Bedarf unterstützen Anwälte wie unsere Kanzlei Steuerbrater*innen und Unternehmen in den Verfahren der Schlussabrechnung, den Widerspruchs- und den Klageverfahren.
Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter
www.überbrückungshilfe-netzwerk.de
und nutzen Sie die Möglichkeit, aktuelle Rechtsfragen zu diskutieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren!
Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher (www.fieldfisher.com). Tanja Ehls arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.