31.10.2024 | Fachartikel/Urteilsbesprechung
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls
Die Schlussabrechnungen sind eingereicht und viele Steuerberater*innen sind nun mit Rückfragen der Bewilligungsstellen beschäftigt. Am Ende vieler dieser Verfahren werden Enttäuschungen stehen. Denn es wird zu Rückforderungen kommen. Ist Rechtsschutz von vornherein aussichtlos, so, wie oft der Anschein erweckt wird durch die Bewilligungsstellen? Keinesfalls.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in einem aktuellen Urteil (Az. 16 K 2025/23, Urteil vom 08.05.2024, bisher unklar, ob die Entscheidung rechtskräftig ist) entschieden, dass die Rückforderung von Corona-Überbrückungshilfen eines Unternehmens rechtswidrig war. Die Behörde hatte zwar die Höhe der Förderung unter einen Vorbehalt gestellt, aber nicht die grundsätzliche Förderberechtigung des Unternehmens. Damit waren die Teilablehnung und Teilrückforderung der beantragten Hilfen durch Schlussablehnungsbescheid rechtswidrig.
Die Thematik betrifft eine Vielzahl von Verfahren, in denen (Teil-) Regelungen in den Bewilligungsbescheiden unter einen Vorbehalt gestellt wurden und bei denen die Behörden nun pauschal die gesamte Fördersumme zurückfordern, ohne zu prüfen, ob und in welchem Umfang die erklärten Vorbehalte sie hierzu berechtigen.
Ein Hamburger Unternehmen, das Dienstleistungen für Wegeleitsysteme und Beschilderungen anbietet, hatte im November 2021 Corona-Überbrückungshilfe III Plus in Höhe von rund 42.000 Euro beantragt und diese auch bewilligt bekommen. Die Bewilligung stand unter dem Vorbehalt einer endgültigen Überprüfung, bei der die tatsächlichen Fixkosten und Umsatzeinbußen berücksichtigt werden sollten.
Ein solcher Vorbehalt ist rechtlich zulässig, wenn die hierfür erforderliche Voraussetzung – eine ungewisse Sachlage zum Zeitpunkt der Erstentscheidung – vorliegt. Die rechtliche Folge ist dann, dass die Behörde ihre zunächst nur vorläufig getroffene Entscheidung ersetzen kann. Die Ersetzungsbefugnis gilt allerdings nur für die Aspekte, auf die sich der Vorbehalt ausdrücklich bezieht – so jedenfalls das VG Hamburg. Aus dem Vorbehalt selbst und den Umständen des Falles muss sich ergeben, dass es sich lediglich um eine vorläufige Entscheidung handelt.
Obwohl der Vorbehalt, in dem durch das VG Hamburg geprüften Fall nicht so formuliert war, dass für die Klägerin ersichtlich gewesen wäre, dass ihr die Förderberechtigung als solche nur vorläufig zugesprochen worden ist, ersetzte die Behörde die zunächst erteilte Bewilligung durch eine Ablehnung und Rückforderung in der Schlussabrechnung. Eine Konstellation, die viele Unternehmen und Steuerberater*innen leider kennen.
Das Unternehmen legte Widerspruch ein, doch die Behörde blieb bei ihrer Rückforderung. Daraufhin klagte das Unternehmen vor dem Verwaltungsgericht Hamburg.
Das Gericht setzte sich in den Entscheidungsgründen genauer mit der Formulierung des Vorbehaltes in dem Bewilligungsbescheid der Klägerin auseinander und stellte fest, dass sich der Vorbehalt lediglich darauf bezog, die Höhe der Förderung nachträglich abzuändern. Damit war die nachträgliche Ablehnung und Rückforderung, in dem Schlussbescheid, mit dem Argument, die Förderberechtigung liege nicht vor, rechtswidrig.
Die Behörde verwendete in dem Bescheid der Klägerin folgende Formulierung:
"2. Die Bewilligung der Höhe der Überbrückungshilfe III Plus ergeht unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid. Der Betrag verringert sich insbesondere, wenn sich die Fixkosten reduzieren und/oder sich der Umsatzrückgang reduziert bzw. im Falle der Antragstellung und Bewilligung auf Grundlage der „Allgemeine Bundesregelung Schadensausgleich, COVID-19" sich das Betriebsergebnis erhöht oder aber im Rahmen der Schlussabrechnung noch Anrechnungen [gemäß] Ziffer 11. der Nebenbestimmungen erfolgen. […].
14. Die Überbrückungshilfe III Plus ist zu erstatten, soweit im Rahmen der Schlussabrechnung im Schlussbescheid eine abweichende Feststellung der Höhe der Billigkeitsleistung getroffen wird […]."
Dieser Vorbehalt bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf die Höhe der Bewilligung und nicht die grundlegende Förderberechtigung.
Vor dem Hintergrund, dass die Umsätze und Fixkosten zum Zeitpunkt der Bewilligung lediglich prognostisch durch den Prüfenden Dritten angegeben werden konnten, leuchtet es auch ein, bezogen auf die Höhe der Förderung von dem rechtlichen Instrument des Vorbehaltes Gebrauch zu machen und die Berechnung der Förderung nachträglich anzupassen, wenn die tatsächlichen Umsätze und Fixkosten von den angegebenen Prognosewerten abweichen.
Da die Förderberechtigung also nicht unter einen Vorbehalt gestellt wurde, hätte die Behörde die Fördermittel nach Auffassung des VG Hamburg nur dann zurückfordern dürfen, wenn die engen gesetzlichen Voraussetzungen einer Aufhebung des Bescheids nach den §§ 1 Abs. 3 VwVfG in Verbindung mit den §§ 48f. des HmbVwVfG (VwVfG des Landes Hamburg) vorgelegen hätten – diese waren jedoch nicht erfüllt. Der Bescheid war somit bezogen auf die Förderberechtigung wirksam und die Teilaufhebung- und Rückforderung rechtswidrig.
Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Unternehmen für eine Vielzahl von Coronarückforderungsfällen, bei denen ähnlich formulierte Vorbehalte in den Bewilligungsbescheiden erklärt wurden. Eine Rückforderung ohne klare rechtliche Grundlage ist unzulässig. Unternehmen, die Corona-Hilfen erhalten haben, sollten ihre Bewilligungsbescheide und die darin enthaltenen Vorbehalte daher genau prüfen.
Es muss sich dabei noch zeigen, ob die Entscheidung auch in höheren Instanzen Bestand haben wird und wie sich die Rechtsprechung allgemein positionieren wird. Dennoch ist die Entscheidung natürlich ein gutes Signal für betroffene Unternehmen.
Das VG Hamburg hat damit eine Rechtsprechung bestätigt, die bereits so durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Az: 19 K 297/22, Urteil vom 23.09.2022, kein Rechtskraftvermerk) in einem vergleichbaren Fall entschieden wurde. Dort wurde ebenfalls festgestellt, dass Rückforderungen unzulässig sind, wenn der Vorbehalt nur die Höhe der Förderung betrifft und nicht die grundsätzliche Berechtigung, die Hilfen zu erhalten.
Das Urteil aus Hamburg ist ein wichtiger Schritt für mehr Rechtssicherheit bei staatlichen Hilfen in Krisenzeiten. Es zeigt, dass auch in Notlagen, wie der Corona-Pandemie, rechtliche Grundsätze gewahrt bleiben müssen und Instrumente wie der Vorbehalt an ihre rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen gebunden bleiben. Unternehmen sollten ihre Rechte kennen und im Zweifel rechtlichen Rat suchen, wenn sie von Rückforderungen dieser Art betroffen sind.
Zusammenfassend gilt nach dieser Rechtsprechung, die sicher noch in höheren Instanzen der Bestätigung bedarf:
Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter
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und nutzen Sie die Möglichkeit, aktuelle Rechtsfragen zu diskutieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren!
Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher (www.fieldfisher.com). Tanja Ehls arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.