30.01.2025 | Fachartikel/Urteilsbesprechung
Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht
Die schenkweise Übertragung von Unternehmensanteilen an Arbeitnehmer:innen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge birgt nicht nur Risiken in Bezug auf die Schenkungssteuer, sondern auch lohnsteuerliche Risiken. Dies zeigt eine Entscheidung des BFH, auch wenn diese im konkreten Fall eine Lohnsteuerpflicht verneinte. Das kann aber in ähnlich gelagerten Fällen auch anders ausfallen. Nachfolgend erläutern wir, wieso es zu der positiven Entscheidung kam und worauf in der Gestaltungsberatung zu achten ist.
Der BFH machte in seinem Urteil vom 20.11.2024 (Az. VI R 21/22) deutlich, dass maßgebend für die Entscheidung, ob es sich im vorliegenden Fall um eine durch das Dienstverhältnis veranlasste Zuwendung gehandelt hatte, die tatrichterliche Würdigung des Finanzgerichts (FG) gewesen ist. Im Streitfall hatten bisherige an einer GmbH beteiligte Gesellschafter:innen einen Teil ihrer Anteile drei Mitarbeitenden unentgeltlich übertragen, um die Unternehmensnachfolge zu sichern. Aus der eigenen Familie war niemand in der Lage, ein solches Unternehmen zu führen.
Das FG musste entscheiden, ob diese Schenkung durch das Arbeitsverhältnis veranlasst wurde, und verneinte dies. Dabei ließ es sich im Wesentlichen von dem Ziel der Schenkungen, nämlich Regelung der Unternehmensnachfolge, leiten. Dies war durch Protokolle von Gesellschaftsversammlungen, durch den Schenkungsvertrag selbst und durch den Wert der Schenkungen deutlich geworden. Der BFH entschied, dass die Würdigung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Der BFH darf eine solche Würdigung nicht selbst vornehmen. Seine Aufgabe ist es lediglich, zu prüfen, ob die Würdigung des FG sachgerecht ist.
Dies zeigt den hohen Einfluss der finanzgerichtlichen Entscheidung und welches Risiko die Beteiligten bei einer unentgeltlichen Übertragung von Unternehmensanteile an Mitarbeitende eingehen. Wer ein solches Risiko scheut, sollte im Rahmen der Gestaltung eine verbindliche Auskunft nach § 89 AO beim Finanzamt dazu einholen. Diese ist allerdings kostenpflichtig und (selbstverständlich) besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Auskunft.
Entspricht die Auskunft des Finanzamts nicht der eigenen Rechtsauffassung, ist ein Rechtsmittel gegen diese Auskunft nicht möglich; vielmehr wird dann die Streitfrage geklärt werden, wenn sich der Sachverhalt verwirklicht. Vorteil an der verbindlichen Auskunft ist, dass vorher Klarheit über die rechtliche Einordnung durch die Finanzverwaltung und etwaige steuerliche Risiken erzielt werden können. Eine verbindliche Auskunft ist nur für den angefragten Sachverhalt verbindlich; bei Änderungen des Sachverhalts können aus der verbindlichen Auskunft keine Ansprüche abgeleitet werden.
Achtung! Die verbindliche Auskunft ist nur zulässig, wenn der Sachverhalt noch nicht verwirklicht ist; d.h. sie muss vor Durchführung der Schenkung eingeholt werden. In der Beratungspraxis sollte auf die Risiken einer Lohnsteuerpflicht und der Möglichkeit einer verbindlichen Auskunft in solchen Fällen nachweisbar hingewiesen werden.
Ob es sich bei dem gewährten geldwerten Vorteil, also der unentgeltlichen Zuwendung von Gesellschaftsanteilen, um Arbeitslohn handelt, richtet sich danach, ob die Zuwendung durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst wird. Im vorliegenden Fall hat das FG eine Gesamtwürdigung vorgenommen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es den Beteiligten nicht um eine zusätzliche Entlohnung des Dienstverhältnisses ging, sondern um die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Dabei hatte es sich davon leiten lassen, dass es in protokollierten Vorbesprechungen stets um die Frage der Unternehmensnachfolge durch dazu fähige Personen ging. In dem Übertragungsvertrag war zudem eine Rückfallklausel aufgenommen worden, wonach die Gesellschaftsanteile zurückgefordert werden können, wenn das Finanzamt schenkungsteuerlich die Privilegierung von Betriebsvermögen nach §§ 13 a, b, 19 a ErbStG nicht gewähre oder nach 13 a Abs. 5 ErbStG zum Nachteil der Erwerbenden ändere. Auch die Höhe der geschenkten Gesellschaftsanteile im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen falle deutlich aus dem Rahmen einer üblichen Vergütung, was dafür spreche, dass die Schenkung der Anteile nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst wurde. Maßgebend war auch, dass die Schenkung der Anteile nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft wurden. Aufgrund dieser Umstände war das FG überzeugt, dass Sachgrund für die Schenkung die Regelung der Unternehmensnachfolge war und nicht die bestehenden Dienstverhältnisse.
Praxishinweis: Das FG hat eine Gesamtwürdigung vorgenommen. D.h., selbst wenn in einem ähnlich gelagerten Fall einige der hier erfüllten Punkte nachgebildet werden, kann das Ergebnis der Gesamtwürdigung nicht sicher vorausgesagt werden. Das Wesen einer Gesamtwürdigung ist, dass verschiedene Aspekte gewürdigt und bewertet werden. Bei dieser Bewertung hat das FG einen weiten Spielraum.
Gleichwohl: bestimmte Vorgaben sollten eingehalten werden. So sollten stattfindende Gespräche zur Regelung einer Unternehmensnachfolge protokoliert werden; und die Gründe dafür, warum Personen, die nicht zur Familie gehören, unentgeltlich Anteile übertragen werden, dargelegt werden. Denn angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels wird es immer mehr zu Normalität, Unternehmensbeteiligungen auch an kompetente Familienfremde unentgeltlich zu übertragen, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Diese Zusammenhänge sollten möglichst nachvollziehbar niedergelegt werden, sei es in Protokollen über die Gespräche, sei es in den Verträgen selbst.
Ergänzend kann in die Verträge auch eine Klausel aufgenommen werden, wonach die Schenkung zurückgefordert werden kann, sollte diese als lohnsteuerpflichtig eingestuft werden. Allerdings ist zu bedenken, dass eine spätere Rückforderung eine Fülle von Problemen mit sich bringen kann. Denn in der Regel erfolgt die Einstufung einer solchen Schenkung als lohnsteuerpflichtig im Rahmen einer Betriebsprüfung - oder wie im vorliegenden Fall – einer Lohnsteueraussenprüfung. Diese findet üblicherweise einige Zeit, wenn nicht sogar einige Jahre nach Vollziehung der Schenkung statt. Zu einem so späten Zeitpunkt eine Zuwendung von Gesellschaftsanteilen rückabzuwickeln, kann erhebliche juristische und tatsächliche Probleme mit sich ziehen. Aber trotzdem kann ein Rückforderungsrecht vereinbart werden.
Nicht unbedingt sinnvoll (und ggf. haftungsintensiv) ist es, die Höhe der etwaigen Lohnsteuer zu berechnen. Denn dazu ist eine Bewertung des Unternehmens bzw. der Gesellschaftsanteile erforderlich; die ist in der Regel bei Schenkung von Anteilen nicht erforderlich. Unsicher ist zudem, ob sich die eigene Bewertung des Unternehmens bzw. der Unternehmensanteile mit der späteren Bewertung durch die Finanzverwaltung deckt. Aussagen dazu sollten – wenn überhaupt – daher in der Beratung mit aller Vorsicht gegeben werden.
Autorin:Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer-, Erb- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Seit Juni 2023 ist sie Sprecherin des Erbrechtsausschusses beim Kölner Anwaltsverein. Daneben ist sie langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der seit 2019 im Nomos Verlag erscheint. E-Mail: s.christ@netcologne.de