27.02.2025 | Fachartikel
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls, ADVANT Beiten
Die Schlussabrechnung der Corona-Überbrückungshilfen sorgt weiterhin für Streit zwischen Unternehmen und Bewilligungsstellen. Besonders umstritten ist die Möglichkeit, in der Schlussabrechnung neue Fixkosten anzusetzen. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuelle Praxis, stellt die wichtigsten rechtlichen Argumente für die Zulässigkeit neuer Fixkosten dar und gibt prüfenden Dritten konkrete Handlungsempfehlungen.
Die Bewilligungsstellen vertreten in vielen Fällen die Auffassung, dass neue Fixkostenpositionen in der Schlussabrechnung nicht berücksichtigt werden können. Die Begründung variiert, folgt aber im Wesentlichen zwei Argumentationslinien:
1. Beihilferechtliche Gründe: Die Bewilligungsstellen berufen sich darauf, dass die Überbrückungshilfen als Beihilfen nach EU-Recht genehmigt wurden. Der zugrundeliegende Beihilferahmen sei aber zum 30.6.2022 ausgelaufen. Nachträgliche Änderungen könnten demnach beihilferechtlich unzulässig sein, da die ursprünglichen Förderbedingungen bereits abschließend festgelegt worden seien.
2. Verwaltungspraktische Erwägungen: Die Behörden argumentieren, dass die Förderbescheide auf Basis der zum Zeitpunkt des Antrags bekannten Fixkosten ergingen. Nachträgliche Änderungen könnten zu einer unkontrollierten Ausweitung der Förderung führen.
Diese restriktive Praxis führt dazu, dass vielen Unternehmen Fixkosten nicht erstattet werden, obwohl diese während des Förderzeitraums tatsächlich angefallen sind.
Es gibt Argumente, die gegen diese Praxis der Bewilligungsstellen sprechen. Diese geben wir hier überblicksmäßig wieder. In Widerspruchs- und Klageverfahren sind diese selbstverständlich umfassend auszuführen mit Verweis auf die Verfassung und die Rechtsprechung.
Ein zentrales rechtliches Argument für die Zulässigkeit neuer Fixkosten in der Schlussabrechnung ist das Prinzip des Vertrauensschutzes. In den FAQ zur Überbrückungshilfe wurde wiederholt klargestellt, dass die endgültige Berechnung der förderfähigen Kosten erst mit der Schlussabrechnung erfolgt.
Die Praxis einiger Bewilligungsstellen, neue Fixkosten nur in „begründeten Ausnahmefällen“ zuzulassen, verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz:
Die Behauptung, dass neue Fixkosten beihilferechtlich unzulässig seien, ist rechtlich umstritten und wird am Ende einer Entscheidung durch die Rechtsprechung bedürfen:
Gegebenenfalls wird es am Ende auch einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedürfen.
Die Schlussabrechnung dient laut den FAQ dazu, die endgültigen tatsächlichen Fixkosten zu bestimmen. Dies schließt eine Korrektur fehlerhafter oder unvollständiger Angaben aus dem ursprünglichen Antrag ein.
Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus für praktische Dritte?
Prüfende Dritte sollten bei Nachfragen im Rahmen des Schlussabrechnungsverfahrens neue Fixkosten detailliert begründen und darlegen, warum diese zum Zeitpunkt des ursprünglichen Antrags nicht angegeben wurden:
Wenn die Bewilligungsstelle neue Fixkosten androht abzulehnen, sollten prüfende Dritte den Mandanten raten, anwaltlichen Rat einzuholen. Denn nun kommt es auf umfassende Rechtsargumente an. Wichtig ist es auch, umfassend zum Sachverhalt zu den neuen Fixkosten vorzutragen, denn in einem Klageverfahren werden keine neuen Sachverhaltsangaben durch die Rechtsprechung berücksichtigt.
Nicht empfohlen werden kann, durch Erklärung im Schlussabrechnungsverfahren auf die neuen Fixkosten zu verzichten. Ein solcher Verzicht würde dazu führen, dass diese Positionen nicht mehr im Widerspruchs- oder Klageverfahren geltend gemacht werden können.
Falls die Bewilligungsstelle neue Fixkosten in der Schlussabrechnung ablehnt, sollten Unternehmen und prüfende Dritte diese Entscheidung nicht einfach hinnehmen. Stattdessen empfiehlt es sich, einen Widerspruch einzulegen oder gegebenenfalls Klage zu erheben. Die Frage, ob neue Fixkosten nachträglich berücksichtigt werden dürfen, ist rechtlich nicht abschließend geklärt. Deshalb kann ein Rechtsbehelf eine sinnvolle Möglichkeit sein, die eigenen Chancen zu erhöhen und die Bewilligungsstellen zu einer erneuten Prüfung zu bewegen.
In vielen Fällen ist der erste rechtliche Schritt der Widerspruch gegen die Ablehnung der neuen Fixkosten. Der Widerspruch hat gemäß § 80 Abs. 1 VwGO eine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die Rückforderung oder endgültige Ablehnung der Förderung bis zur Entscheidung über den Widerspruch nicht vollzogen werden darf.
Wann ist ein Widerspruch möglich?
Wann ist ein Widerspruch nicht möglich?
Falls die Bewilligungsstelle den Widerspruch ablehnt oder kein Widerspruchsverfahren vorgesehen ist, kann Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.
Wann ist eine Klage sinnvoll?
Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des ablehnenden Widerspruchsbescheids (bzw. des ursprünglichen Bescheids in Bundesländern ohne Widerspruchsverfahren) eingereicht werden. Sie hat ebenfalls aufschiebende Wirkung, sodass bis zur gerichtlichen Entscheidung keine endgültige Ablehnung oder Rückforderung erfolgt.
Die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs oder einer Klage hängen stark von der individuellen Fallgestaltung ab. Es gibt zwar Argumente für die Zulässigkeit neuer Fixkosten in der Schlussabrechnung, aber bislang keine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Frage.
Warum lohnt sich ein Rechtsbehelf?
Welche Risiken bestehen?
Wir empfehlen, dass Steuerberater hier ihren Mandanten raten, anwaltlichen Rat einzuholen.
Die Ablehnung neuer Fixkosten in der Schlussabrechnung ist aus rechtlicher Sicht nicht unumstößlich. Es gibt starke Argumente für deren Berücksichtigung, insbesondere aufgrund des Vertrauensschutzes, der FAQ und des Gleichbehandlungsgebots. Dennoch zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass viele Bewilligungsstellen eine restriktive Linie verfolgen und neue Fixkosten pauschal ablehnen.
Da die Frage, ob neue Fixkosten zulässig sind, rechtlich nicht abschließend geklärt ist, kann ein Rechtsbehelf – sei es ein Widerspruch oder eine Klage – eine sinnvolle Strategie sein. Die aufschiebende Wirkung verhindert eine sofortige Rückforderung oder endgültige Ablehnung und gibt Zeit, die Argumente juristisch aufzuarbeiten.
Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter
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und nutzen Sie die Möglichkeit, aktuelle Rechtsfragen zu diskutieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren!
Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von ADVANT Beiten (www.advant-beiten.com). Tanja Ehls ist ebenso Partnerin der Kanzlei und arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von ADVANT Beiten. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.