27.02.2025 | Interview
Von Manuel Maurer / Interview mit Luisa Stalla, DStV
KI-gestützte Anwendungen für Buchhaltung, Belegverarbeitung oder Steuerdatenanalysen werden bereits in einigen Kanzleien genutzt und zeigen vielversprechende Ergebnisse. Ein aktuell veröffentlichtes Whitepaper des Deutschen Steuerberaterverbands (DStV) beleuchtet hierzu praxisnah den Einsatz sogenannter KI-Assistenten. Wir sprachen hierüber mit Luisa Stalla, die sich als Managerin für Digitale Transformation intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Manuel Maurer:
Frau Stalla, der DStV hat aktuell ein Whitepaper zum KI-Einsatz im Kanzleialltag veröffentlicht. Sie haben daran federführend mitgewirkt. Was sind die zentralen Aspekte und Anliegen?
Luisa Stalla:
Mit dem Whitepaper möchten wir aufzeigen, wie KI-Assistenten Kanzleien unterstützen können, um effizienter zu arbeiten und sich stärker auf wertschöpfende Tätigkeiten zu konzentrieren. Es geht dabei nicht um eine abstrakte Zukunftsvision, sondern um ganz konkrete Einsatzmöglichkeiten, die bereits heute realistisch und praktikabel sind. Ein zentrales Anliegen ist es, Klarheit darüber zu schaffen, dass KI-Technologie, insbesondere KI-Assistenten, gezielt für steuerberatende Berufe entwickelt und angepasst werden kann.
Manuel Maurer:
Bei KI und Assistenz denken viele sicherlich vor allem an ChatGPT, das die meisten durch dessen starke Verbreitung auch schon mal ausprobiert haben, um Alltagsfragen zu stellen oder Texte schreiben zu lassen. Die sogenannten KI-Assistenten, von denen Sie sprechen, sind davon abzugrenzen. Was ist der Unterschied?
Luisa Stalla:
Der wesentliche Unterschied liegt in der Spezialisierung. KI-Assistenten arbeiten mit vordefinierten Prompt-Templates, branchenspezifischen Daten und einem klaren Funktionsrahmen, der sich an den Bedürfnissen der Kanzleien orientiert. Außerdem bieten sie die Möglichkeit zur Integration in die bestehende IT-Infrastruktur und arbeiten mit kanzleispezifischen Daten und Mandanteninformationen. Dadurch ist auch eine bessere Datenschutzkonformität möglich, wenn die Daten in einer geschlossenen Umgebung verarbeitet werden.
Manuel Maurer:
Die Bundessteuerberaterkammer hat im Januar die Ergebnisse des STAX 2024 bekanntgegeben. Danach sind die Erwartungen der Beraterschaft an den KI-Einsatz eher verhalten. Unterschätzt die Beraterschaft die Entwicklung und auch das praktische Potenzial von KI?
Luisa Stalla:
Die Ergebnisse des STAX 2024 zeigen, dass die Beraterschaft dem Thema weiterhin mit Skepsis begegnet – besonders im Hinblick auf deklaratorische Tätigkeiten und Beratungsaufgaben. Diese Zurückhaltung ist verständlich, da Steuerberater*innen höchste Ansprüche an Korrektheit und Verlässlichkeit haben. Fehler können erhebliche Konsequenzen haben, weshalb viele zunächst zögern, KI in diesen sensiblen Bereichen einzusetzen.
Allerdings gibt es bereits hochpräzise, spezialisierte Systeme, die wiederkehrende, regelbasierte Prozesse effizient unterstützen. KI-gestützte Anwendungen für Buchhaltung, Belegverarbeitung oder Steuerdatenanalysen werden bereits in einigen Kanzleien genutzt und zeigen vielversprechende Ergebnisse. Insofern bietet das noch sehr viel Potenzial, das verstärkt genutzt werden kann.
Manuel Maurer:
Man wartet erstmal ab und schaut, was weiter passiert...
Luisa Stalla:
Ja. Entscheidend wird jedoch sein, die Entwicklung nicht nur als langfristige Vision zu betrachten, sondern aktiv zu evaluieren, wo KI gezielt eingesetzt werden kann. Der Fortschritt in diesem Bereich erfolgt dynamisch – Kanzleien, die sich frühzeitig mit der Integration von KI beschäftigen, können Effizienzvorteile nutzen, ohne dabei die Qualität und Sicherheit ihrer Arbeit zu gefährden.
Manuel Maurer:
Welche Bereiche bieten sich dafür konkret an?
Luisa Stalla:
Viele repetitive Tätigkeiten wie die Erstellung von Steuererklärungen oder Plausibilitätsprüfungen können durch KI schon jetzt unterstützt und erheblich beschleunigt werden. Das spart Zeit und reduziert manuelle Fehler. Auch die Beratungsqualität kann optimiert werden, denn KI-Assistenten können große Datenmengen analysieren und Steuerprognosen berechnen. Dadurch wird die Beratung datenbasierter und fundierter. Durch automatisierte Dokumentenverarbeitung, Onboarding-Prozesse und Wissensmanagement-Systeme wird außerdem die Arbeitsorganisation besser strukturiert.
Manuel Maurer:
Apropos Arbeitsorganisation – Welche Auswirkungen hat der Einzug von KI-Assistenten denn für die Mitarbeitenden, insbesondere die Steuerfachangestellten? Stellt die Technologie den Beruf infrage?
Luisa Stalla:
Die Einführung von KI-Assistenten verändert die Arbeitsweise, stellt den Beruf jedoch nicht infrage – im Gegenteil. Für Steuerfachangestellte bedeutet das: Mehr Fokus auf Beratung und Qualitätsprüfung. KI übernimmt zwar die Datenverarbeitung, aber die finale Bewertung bleibt beim Menschen. Steuerfachangestellte werden mehr in die Analyse und strategische Beratung eingebunden.
Manuel Maurer:
Die Arbeitsinhalte verändern sich also durchaus...
Luisa Stalla:
Neue Kompetenzen sind gefragt. Der Umgang mit KI-Systemen erfordert technisches Verständnis und Prozessdenken. Weiterbildung wird ein zentraler Faktor sein. Langfristig könnte sich natürlich das Berufsbild wandeln – weg von primär administrativen Tätigkeiten hin zu einer stärker analytischen und beratungsorientierten Rolle.
KI-Assistenten können auch den Einstieg in die Nutzung von KI selbst erleichtern, gerade für Mitarbeitende, die technologisch nicht ganz so fit sind. Da die Systeme oft mit vordefinierten Eingabeoptionen, geführten Prozessen und intuitiven Benutzeroberflächen ausgestattet sind, nehmen sie viele der sonst üblichen technischen Hürden. So werden Hemmschwellen abgebaut, und auch Kanzleien mit weniger digital-affinen Mitarbeitenden können schrittweise von den Vorteilen der KI profitieren.
Manuel Maurer:
Das klingt im Grunde vielversprechend und keineswegs disruptiv. Und wie aufwändig ist letztlich die Implementierung solcher KI-Assistenten? Kann man in kleinen Schritten für erste Assistenzaufgaben mit der Einführung starten oder wird letztlich die ganze Kanzleiorganisation umgekrempelt, mit entsprechend hohem Aufwand und offenem Ausgang?
Luisa Stalla:
Der Einstieg in die Nutzung von KI-Assistenten kann schrittweise erfolgen. Kanzleien sollten nicht sofort ihre gesamte Organisation umstellen, sondern gezielt einzelne Prozesse optimieren. Man kann den Einsatz zunächst in einzelnen Bereichen wie Mandantenkommunikation oder Belegverarbeitung testen. Im nächsten Schritt kann geprüft werden, ob KI-Assistenten in bestehende Kanzlei-Software eingebunden werden können.
Und auch wenn noch gezögert wird, können Mitarbeitende bereits geschult werden. Das ist sogar eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung. Langfristig kann KI tiefere Veränderungen bewirken, der Weg dahin kann und sollte in kleinen, gut planbaren Schritten erfolgen.
Das aktuelle Whitepaper des Deutschen Steuerberaterverbands beleuchtet praxisnah die Chancen und Risiken von KI-Assistenten. Ein Ausblick zeigt, wie zukünftige KI-Agenten die Arbeit in Kanzleien langfristig verändern könnten.
Hier geht es zum Whitepaper.
Zur Person:
Luisa Stalla ist Managerin für Digitale Transformation beim Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) in Berlin (www.dstv.de)
Manuel Maurer ist Herausgeber und Chefredakteur von STB Web, Online-Fachmagazin für Steuerberater (www.stb-web.de). Kontakt auf LinkedIn