04.03.2025 | Gemeinnützige Organisationen

Gemeinnützigkeit und politisches Engagement

Von Manuel Maurer

Anlässlich einer stark kritisierten Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen haben Anfang März über 2.000 Wissenschaftler:innen einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie große Sorge über das Vorgehen der Unionsfraktionen zum Ausdruck bringen. Dabei geht es auch um die Frage, innerhalb welcher Grenzen steuerbegünstigte Organisationen sich politisch engagieren dürfen. Eine Bestandsaufnahme.

(Foto: © iStock.com/cienpies)

Am 24.2.2025 richtete die CDU/CSU-Fraktion 551 kritische Fragen zu gemeinnützigen Organisationen an die Bundesregierung. Hintergrund sind die zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen von Bürgerinnen und Bürgern vor der Bundestagswahl gegen den wahrgenommenen Rechtsruck im Land. Insbesondere die Abstimmung der CDU/CSU mit der AfD im Bundestag zu Migrationsfragen führte zu breiter Kritik und Empörung. Die Unionsfraktionen haben die bundesweiten Demonstrationen der Kleinen Anfrage zufolge als "Proteste gegen die CDU Deutschlands" aufgenommen. Sie stellen deshalb die Gemeinnützigkeit zahlreicher gemeinnütziger Vereine und Organisationen infrage, weil diese die Demonstrationen teils organisiert oder unterstützt hätten. Dies stehe ihrem Gemeinnützigkeitsstatus entgegen, auf dessen Basis sie steuerlich gefördert würden. Laut der Abgabenordnung dürften sie dabei nicht parteipolitisch agieren.

Demokratische Zivilgesellschaft "so wichtig wie nie"

Nun haben – zwischenzeitlich über 2.000 – Wissenschaftler:innen einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie "große Besorgnis" über den Vorgang äußern. Es werde seitens der Unionsfraktionen suggeriert, "dass die Arbeit der genannten zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht nur in unzulässiger Weise die politische Willensbildung in der Bundesrepublik beeinflusse, sondern dieser Arbeit auch ein grundsätzlicher Makel anhafte". Das Gegenteil sei der Fall. Vor dem Hintergrund der weltweiten Entwicklungen und einem verstärkten Misstrauen gegenüber der Demokratie sei die demokratische Zivilgesellschaft "so wichtig wie nie". Den Ton der Kleinen Anfrage werten die Wissenschaftler:innen als "alarmierend". Die Anfrage suggeriere, dass staatlich geförderte Organisationen einer Neutralitätspflicht unterlägen und sich jeglicher politischer Äußerung enthalten müssten, was verfassungsrechtlich nicht haltbar sei.

Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Des Weiteren wird in dem offenen Brief auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2017 (Az. X R 13/15), vom 10. Januar 2019 (Az. V R 60/17) und vom 10. Dezember 2020 (Az. V R 14/20) verwiesen. Im letztgenannten Beschluss weist der BFH darauf hin, dass eine gemeinnützige Körperschaft unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung nur Einfluss nehmen kann, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke dient. In diesen Grenzen sieht der BFH eine Teilhabe an der politischen Willensbildung als gewahrt an. Eine derartige Einwirkung müsse aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten.

Aus der Sicht der Unterzeichnenden des offenen Briefs schließt der zulässige Rahmen "auch die öffentliche Kritik an Parteien ein, deren Programmatik oder Handeln nach Auffassung der Organisationen partiell oder grundsätzlich den Werten, Normen und Zielen entgegenlaufen, die von den Organisationen in ihrem jeweiligen Handlungsfeld vertreten werden." Diese Zulässigkeit von Kritik müsse gleichermaßen hinsichtlich demokratischer und antidemokratischer Parteien gelten.

Ähnlich argumentiert der Bundesverband Deutscher Stiftungen in einer am 27.2.2025 veröffentlichten Stellungnahme zu der Kleinen Anfrage der Unionsparteien. Aus gutem Grund sei es "gemeinnützigen Organisationen – so das gegenwärtige Rechtsverständnis in der Bundesrepublik Deutschland – gestattet, sich zur Verwirklichung ihrer Satzungszwecke politisch zu betätigen und dies auch in Ausnahmefällen außerhalb ihrer Zwecke zu tun." Der Grundsatz parteipolitischer Neutralität sei dabei zwar zu wahren. Er dürfe aber nicht als Gebot sachpolitscher Zurückhaltung missverstanden werden.

Gesetzliche Neuregelung scheiterte nach Ampel-Aus

Im Entwurf zum sogenannten Steuerfortentwicklungsgesetz, das Ende 2024 beschlossen wurde und zum 1.1.2025 in Kraft trat, war übrigens auch die ausdrückliche Regelung vorgesehen, dass steuerbegünstigte Organisationen künftig auch außerhalb ihres Zweckes gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung beziehen dürfen, ohne hierdurch ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden und ihre Steuerbegünstigung zu verlieren. Nach dem Ampel-Aus wurde dieser Teil des Gesetzentwurfs jedoch nicht mehr verabschiedet.

So bleibt nun abzuwarten, wie die Antworten der noch amtierenden Bundesregierung auf die Kleine Anfrage ausfallen werden und wie sich das Gemeinnützigkeitsrecht unter Mitwirkung der neuen Bundesregierung entwickeln wird. Es sei jedenfalls "Aufgabe eines verantwortungsvollen Gesetzgebers, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu modernisieren, dass zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Umwelt effektiver unterstützt wird", schreiben die über 2.000 Wissenschaftler:innen in ihrem offenen Brief – "mit besorgten Grüßen".

Ergänzung am 13.3.2025: 

Am 11. März übersandte die Bundesregierung ihre Antwort an den Deutschen Bundestag. Lesen Sie hierzu unseren Beitrag: Politisches Engagement gemeinnütziger Organisationen: Bundesregierung bezieht Stellung

(STB Web)