25.04.2025 | Fachartikel
Von Andreas Hermanutz, Geschäftsführer von Wolters Kluwer Tax & Accounting Deutschland GmbH
Der Berufsstand befindet sich in einem stetigen Wandel, das ist nicht neu. Prozessanpassungen durch technologische Fortschritte, regulatorische Veränderungen und neue Marktbedingungen hat es schon immer gegeben. Tatsächlich neu ist die rasante Geschwindigkeit, mit der solche Anpassungsprozesse notwendig werden. So steht die Steuerberatungsbranche (nicht nur) in Deutschland aktuell wieder vor tiefgreifenden Veränderungen.
Die aktuelle Umfrage "Future Ready Accountant" von Wolters Kluwer Tax & Accounting gibt einen detaillierten Einblick zum Status Quo 2025 und zu zukünftigen Entwicklungen der Branche – und das erstmalig weltweit. Auch wenn immer wieder hervorgehoben wird, dass gerade die Tätigkeit und Funktion der Steuerberater durch nationale Regulatorik und Kultur geprägt werden, zeigt sich deutlich, dass die Herausforderungen weltweit sehr ähnlich sind.
Die Digitalisierung ist dabei längst keine optionale Ergänzung mehr, sondern eine Notwendigkeit, um im steuerberatenden Berufsstand wettbewerbsfähig zu bleiben. Besonders der Einsatz von Cloud-Technologien und Künstlicher Intelligenz (KI) gewinnt zunehmend an Bedeutung. In Deutschland setzen bereits 36 Prozent der Steuerexperten KI in ihrer täglichen Arbeit ein – das ist ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern, wo dieser Wert bei durchschnittlich 27 Prozent liegt.
Der Umfragewert für Deutschland deckt sich auch mit den Ergebnissen einer Untersuchung des ZEW Mannheim für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vom August 2024. Weitere 71 Prozent planen, innerhalb der nächsten 18 Monate KI-Anwendungen für die automatische Datenverarbeitung zu integrieren.
Besonders in den Bereichen automatisierte Buchhaltung, Datenanalyse und Mandantenkommunikation hat sich KI in Deutschland bereits als effiziente Assistenz bewährt. Durch die Nutzung fortschrittlicher Algorithmen können Steuerberater effizienter arbeiten, Fehlerquoten senken und personalisierte Dienstleistungen anbieten. Zudem ermöglicht der Einsatz von KI die frühzeitige Identifikation steuerlicher Optimierungspotenziale, was den Mandanten einen erheblichen Mehrwert bietet.
Dabei sehen viele Kanzleien sowohl Chancen als auch Herausforderungen: Während die Automatisierung von Routineaufgaben Effizienzgewinne bringt, bleiben Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit bestehen. 49 Prozent der deutschen Steuerberater nennen Datenschutz als eines der größten Hindernisse für eine umfassendere Cloud-Nutzung. Aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtung ist die hohe Sensibilität nicht überraschend. Gleichzeitig treiben Compliance-Anforderungen die Einführung neuer Technologien voran, da Unternehmen verstärkt auf sichere, digitale Lösungen setzen müssen, um diese zu erfüllen.
Hinsichtlich einer verbesserten Cybersicherheit und des Datenschutzes hat Deutschland nachgebessert und ist führend in Europa: 21 Prozent der Befragten haben diesen Verbesserungen in den letzten drei Jahren Priorität eingeräumt.
Der Wandel der Branche zeigt sich auch in der Neuausrichtung der Dienstleistungen. Immer mehr Steuerberater agieren zunehmend als strategische Berater und Partner für ihre Mandanten und nicht mehr nur in der traditionellen Rolle als Dienstleister für steuerliche und buchhalterische Aufgaben. Laut der Studie erwarten 53 Prozent der europäischen Befragten, dass sich dieser Wandel in den kommenden fünf Jahren weiter verstärken wird.
Viele Kanzleien setzen daher verstärkt auf Beratungsleistungen, insbesondere im Bereich Unternehmensstrategie, Finanzplanung und digitale Transformation. Steuerberatung wird dadurch mehr als eine Dienstleistung zur Einhaltung der Steuergerechtigkeit und Erfüllung von gesetzlichen Pflichten – sie entwickelt sich zu einem essenziellen Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Steuerkanzleien sollten daher ihre Kompetenzen und das Dienstleistungsangebot in diesem Bereich prüfen und gegebenenfalls erweitern.
Der Future Ready Accountant Report 2025 hebt mehrere zentrale Trends hervor, die den Berufsstand in Europa nachhaltig prägen werden:
Diese Zahlen zeigen, dass die Branche sich zunehmend in Richtung Digitalisierung, Automatisierung und strategische Beratung bewegt – auch in Deutschland.
Natürlich ist weiterhin der Fachkräftemangel ein zentrales Thema der Branche. 34 Prozent der deutschen Steuerkanzleien sehen die Gewinnung und Bindung qualifizierter Mitarbeiter als eine ihrer größten Herausforderungen an – der höchste Wert in Europa. 50 Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, dass sich das Thema in den nächsten fünf Jahren noch weiter zuspitzt. Ein Thema, dass durch den demografischen Wandel aber nahezu alle Branchen betrifft.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, setzen sie zunehmend auf flexible Arbeitsmodelle und eine stärkere Zusammenarbeit mit Ausbildungseinrichtungen und Berufsverbänden. Zudem sind mit 32 Prozent die deutschen Befragten führend bei Investitionen in berufliche Weiterbildung, damit ihre Teams für die neuen Anforderungen der digitalen Ära gerüstet sind. Ebenso setzen 30 Prozent auf den Einsatz moderner Tools zur Effizienzsteigerung, um die Arbeitsbelastung der Fachkräfte zu reduzieren und die Branche auch für Berufsfremde und Quereinsteiger attraktiver zu machen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Berufsstand in Deutschland vor einem tiefgreifenden Wandel steht. Der zunehmende Einsatz von KI und Cloud-Technologien, die Erweiterung von Beratungsleistungen sowie die Anpassung an regulatorische Veränderungen, bestimmen die Zukunft der Branche.
Kanzleien, die diese Entwicklungen aktiv mitgestalten, können sich langfristig als starke Partner für ihre Mandanten etablieren. Die Herausforderungen sind groß – doch die Chancen, die sich durch Innovation und Digitalisierung bieten, sind es ebenso.
Die Umfrage basiert auf validierten Antworten von über 2.300 Steuer- und Wirtschaftsprüfungsexperten aus Nordamerika, Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum. Darüber hinaus wurden Steuerexperten aus jeder Region zu qualitativen Interviews eingeladen. Ihre Perspektiven sind ebenfalls in dem Bericht enthalten. Die Umfrage wurde vom 15. Juli bis zum 4. September 2024 online von einem internationalen Forschungsinstitut für Wolters Kluwer durchgeführt.
Weitere Information zum Future Ready Accountant und zum Download der Umfrage:
Autor
Andreas Hermanutz ist Geschäftsführer bei der Wolters Kluwer Tax & Accounting Deutschland GmbH (www.wolterskluwer.de).