27.05.2025 | Kanzleimanagement

Zwischen Last-Minute-Stress und Klageandrohung – Haftungsprävention in der modernen Kanzlei

Zusatzinfo
Wolters Kluwer Tax & Accounting

Von Jonas Carstens

Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor: Ein Mandant sitzt bei seiner Hausbank. Es geht um eine anstehende Finanzierung. Die Bank fordert kurzfristig eine "schnelle Auskunft" zur aktuellen steuerlichen Bewertung einer Immobilie. Noch während des Gesprächs klingelt das Telefon in Ihrer Kanzlei. Die Erwartung: eine sofortige, verbindliche Antwort.

(Foto: © iStock.com/Moon Safari)

Für den Mandanten ist das eine normale Anfrage – für die Kanzlei ist es ein Moment höchster Aufmerksamkeit. Denn es sind genau diese Alltagssituationen, in denen sich entscheidet, ob die Kanzlei nicht nur rechtlich sauber, sondern auch strategisch sicher aufgestellt ist.

Haftungsprävention ist längst kein Sonderthema mehr, das man irgendwann mal mit der Versicherung bespricht. Sie gehört heute zum professionellen Kanzleimanagement und ist ein zentraler Bestandteil moderner Beraterverantwortung.

Haftung: Ein unterschätztes Risiko im Tagesgeschäft

Jonas Carstens
Foto: Jonas Carstens, Fachexperte

Steuerberater sind zunehmend mit Rahmenbedingungen konfrontiert, die das Risiko für Haftungsfälle erhöhen. Mandanten sind digital, ungeduldig – aber nicht zwingend organisiert.

Gesetze und Vorschriften ändern sich schneller denn je. Gleichzeitig bleiben viele Kanzleien in ihren Abläufen, Versicherungen und Mandatsvereinbarungen unverändert, oft über Jahre hinweg.

Dabei entstehen Haftungsrisiken nicht nur durch falsche Auskünfte. Schon das Versäumen eines Einspruchs oder eine ungenaue Kommunikation reichen aus. In den aktuellen Zeiten wird dann der Ruf nach Haftung des Steuerberaters schnell laut.

Was moderne Haftungsprävention leisten muss

Haftungsprävention bedeutet heute mehr als "gute Absicht" oder eine abgeschlossene Berufshaftpflicht. Sie beginnt bei der Mandatsannahme, zieht sich durch die Kommunikation und spiegelt sich in den Strukturen und Prozessen der Kanzlei.

Drei typische Schwachstellen:

  • Unklare Mandatsverhältnisse: Ohne schriftliche Vereinbarungen ist kaum beweisbar, was beraten wurde und was nicht. Gerade bei langjährigen Mandaten verschwimmen oft die Grenzen.
  • Fehlende Dokumentation: Ein Telefonat ohne Vermerk, ein Hinweis ohne Nachweis und schon ist der Raum für Auslegung eröffnet.
  • Überholte Versicherungsstruktur: Wenn die Deckungssumme nicht zur gewachsenen Mandatsstruktur und -Volumen passt, nützt auch die beste Beratung nichts.

Haftungsprävention in 5 Schritten

Wer Haftung strategisch vorbeugen will, sollte systematisch vorgehen. Die folgenden Elemente bilden das Fundament:

  • Mandatsverträge aktualisieren: Klare Regelung des Leistungsumfangs, Haftungsbegrenzung nach § 67a StBerG, wirksamer Einbezug der AGB.
  • Dokumentationsstandards einführen: Beratungsvermerke, Bestätigungen, Vollständigkeitserklärungen. Digital gespeichert und jederzeit abrufbar.
  • Kommunikation strukturieren: E-Mail-Verkehr rechtssicher gestalten, Hinweisblätter personalisieren, Lesebestätigungen nutzen.
  • Versicherungsdeckungen prüfen: Sind die aktuellen Tätigkeitsfelder und die Mandantenstruktur in der Berufshaftpflicht abgebildet? Viele Verträge sind älter als die Digitalisierung in der Kanzlei.
  • Kanzleiorganisation reflektieren: Wer trägt wann welche Verantwortung? Gibt es Stellvertretungsregelungen, mehrstufige Fristenkontrollen und interne Reviews?

Diese Punkte sind keine theoretischen Überlegungen, sondern lassen sich konkret und praxistauglich umsetzen, mit überschaubarem Aufwand, aber großer Wirkung.

In vielen Fällen erlebe ich: Die Gefahr ist den Beratern bewusst und gleichzeitig fehlt im Alltag der Moment sie wirklich anzugehen. Haftung bleibt ein diffuses Damoklesschwert. Doch es braucht kein Großschadenereignis, um die Kanzlei auf Kurs zu bringen. Schon kleine strukturelle Verbesserungen machen einen großen Unterschied.

Manche Kanzleien haben diesen Prozess bereits durchlaufen, andere stehen noch am Anfang. Wer sich dabei externe Unterstützung sucht, handelt nicht aus Schwäche, sondern aus unternehmerischer Klugheit. Wichtig ist nur: zu handeln, bevor etwas passiert.

Für die Praxis

Wie das aussehen kann, zeigt unser Eingangsfall: Dank präziser Mandatsvereinbarung ist definiert, ob und in welchem Umfang Auskünfte an Dritte erteilt werden dürfen. Eine aktuelle Vollständigkeitserklärung des Mandanten liegt vor, ebenso wie eine schriftliche Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht.

Die Haftungsbegrenzung ist nicht nur mit dem Mandanten vereinbart, sondern wurde auch ausdrücklich gegenüber der Bank fixiert, rechtlich wirksam durch die Einbeziehung der Allgemeinen Auftragsbedingungen. Ein klarer Hinweis auf diese Begrenzung findet sich bereits auf dem Deckblatt der Ausarbeitung. Auch der gesamte Kommunikationsverlauf zur
Anfrage ist lückenlos dokumentiert. Und schlussendlich ist auch die Versicherungssumme auf solche Szenarien abgestimmt, das wirtschaftliche Risiko ist damit bewusst abgedeckt.

So kann die Kanzlei die Situation rechtssicher bewerten und dem Mandanten fundiert
antworten. Ohne Risiko. Ohne Stress.

Zur Person

Jonas Carstens Jonas Carstens ist spezialisiert auf Haftungsprävention, Risikomanagement und Versicherungslösungen für Steuerberater. Als Inhaber der Agentur Carstens (www.berufshaftpflicht-steuerberater.de) führt er die über 40-jährige Expertise des Familienunternehmens fort und entwickelt in Kooperation mit dem Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) Absicherungskonzepte für Kanzleien. Kontakt auf LinkedIn