27.05.2025 | Fachartikel/Urteilsbesprechung
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls, ADVANT Beiten
Die Corona-Pandemie liegt mittlerweile hinter uns, doch ihre rechtlichen Nachwirkungen beschäftigen weiterhin die Gerichte. Insbesondere die Rückforderung staatlicher Unterstützungsleistungen durch die Behörden sorgt bei vielen Unternehmern und Selbstständigen für schlaflose Nächte. Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln könnte jedoch für viele Betroffene ein Lichtblick sein: Das Gericht hat einem wichtigen Aspekt, der bislang oft übersehen wurde, besondere Bedeutung zugemessen – der Verjährung von Erstattungsansprüchen.
In dem vom VG Köln am 06.12.2024 (Az. 16 K 703/24) entschiedenen Fall hatte eine Unternehmerin im April 2020 eine NRW-Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro erhalten. Im Dezember 2020 übermittelte sie dem Land NRW eine im Rückmeldeformular enthaltene Verzichtserklärung, da sie nach eigener Einschätzung keinen Liquiditätsengpass im Sinne der Förderbedingungen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits 7.000 Euro zurückgezahlt.
Fast drei Jahre später, am 8. Dezember 2023, erließ das Land einen Feststellungs- und Erstattungsbescheid, in dem die Unwirksamkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheids festgestellt und die Erstattung der verbliebenen 2.000 Euro gefordert wurde. Die Behörde versuchte, den Bescheid am 8. Dezember 2023 per Post zuzustellen, scheiterte jedoch. Eine elektronische Bekanntgabe erfolgte erst am 8. Januar 2024.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage und berief sich unter anderem auf die Einrede der Verjährung. Mit Erfolg: Das VG Köln stellte fest, dass der Erstattungsanspruch des Landes tatsächlich verjährt war.
Das Urteil enthält grundlegende Ausführungen zur Verjährung im öffentlichen Recht, die für zahlreiche Empfänger von Corona-Hilfen von Bedeutung sein könnten.
Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch unterliegt mangels speziellerer Vorschriften gemäß § 195 BGB analog der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist dabei nicht etwa der Zeitpunkt, zu dem die Behörde einen Erstattungsbescheid erlässt, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch fällig wird. Dies unterscheidet den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch von spezielleren Erstattungsansprüchen wie jenen nach § 49a VwVfG, die erst mit ihrer verwaltungsaktförmigen Festsetzung fällig werden.
Im konkreten Fall wurde der Erstattungsanspruch mit Zugang der Verzichtserklärung am 3. Dezember 2020 fällig. Die dreijährige Verjährungsfrist begann daher mit dem Schluss des Jahres 2020 und endete am 31. Dezember 2023. Da der Feststellungs- und Erstattungsbescheid erst am 11. Januar 2024 als bekannt gegeben galt, war der Anspruch zum Zeitpunkt seiner Durchsetzung bereits verjährt.
Das Urteil des VG Köln enthält mehrere bemerkenswerte Feststellungen zur Verjährung, die speziell im Kontext der Corona-Soforthilfen relevant sind:
Eine zentrale Frage war, wann der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch fällig wird. Das Gericht stellte klar, dass der Anspruch nicht erst mit dem Erlass eines Erstattungsbescheides fällig wird, sondern bereits mit dem Ereignis, das den Rechtsgrund für die Leistung entfallen lässt – hier also mit Zugang der Verzichtserklärung.
Dies bedeutet für die Praxis: Wenn der Empfänger einer Soforthilfe eine Verzichtserklärung oder eine ähnliche Erklärung abgegeben hat, die den Rechtsgrund für die Leistung entfallen lässt, beginnt die Verjährungsfrist bereits zu diesem Zeitpunkt zu laufen – nicht erst, wenn die Behörde einen Erstattungsbescheid erlässt. So jedenfalls das VG Köln – wie andere Instanzen entscheiden, ist unklar.
Ob dies alles auch für die Überbrückungshilfen gilt, ist unklar. Denn hier war von vornherein ein Schlussabrechnungsverfahren mit Schlussbescheiden vorgesehen, also die Geltendmachung einer Rückforderung durch einen Schlussbescheid. Dazu bleibt die Rechtsentwicklung abzuwarten.
Das Gericht verneinte auch das Bestehen einer unbestimmten Leistungszeitabrede, die der Klägerin die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts überlassen hätte. Obwohl im Rückmeldeformular keine Frist für die Rückzahlung gesetzt wurde, sei dies nicht als Überlassung des Leistungszeitpunkts an die Klägerin zu verstehen. Vielmehr sei mangels einer Fristsetzung von einer sofortigen Fälligkeit der Erstattungsforderung auszugehen.
Dies bedeutet: Auch wenn dem Empfänger einer Soforthilfe keine konkrete Frist für die Rückzahlung gesetzt wurde, beginnt die Verjährungsfrist dennoch mit dem Entfallen des Rechtsgrundes zu laufen.
Besonders bedeutsam ist die Feststellung des Gerichts, dass die Verjährung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs analog § 214 Abs. 1 BGB nur auf Einrede zu berücksichtigen ist und nicht von Amts wegen. Dies bedeutet:
Eine weitere wichtige Feststellung betrifft den Zeitpunkt der Erhebung der Verjährungseinrede. Das Gericht stellte klar, dass die Erhebung der Verjährungseinrede nach Erlass des Erstattungsbescheides dessen Rechtmäßigkeit nicht berührt. Der Bescheid bleibt rechtmäßig, aber die Verjährungseinrede steht der Vollstreckung entgegen.
Dies eröffnet Betroffenen die Möglichkeit, die Verjährungseinrede auch noch in der Vollstreckungsphase zu erheben, selbst wenn der Bescheid bereits bestandskräftig geworden ist.
Das Urteil des VG Köln eröffnet Empfängern von Corona-Soforthilfen und den Steuerberatern, die sie betreuen und die gemeinsam mit Rückforderungen konfrontiert sind, mehrere Handlungsoptionen:
Wenn ein Rückforderungsbescheid eintrifft, sollte zunächst geprüft werden, ob der Erstattungsanspruch bei Bekanntgabe des Bescheides möglicherweise bereits verjährt war. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn:
Ähnliches gilt dann für 2021 und den 31.12.2024 usw.
Sollten diese Voraussetzungen erfüllt sein, könnte bereits Verjährung eingetreten sein.
Da die Verjährung nur auf Einrede zu berücksichtigen ist, muss diese explizit erhoben werden. Dies kann erfolgen:
Wichtig ist, dass dabei klar und unmissverständlich formuliert wird, dass man sich auf die Verjährung des Erstattungsanspruchs beruft, und dass begründet wird, warum der Anspruch zum Zeitpunkt seiner Durchsetzung bereits verjährt war.
Selbst wenn ein Erstattungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist, kann die Verjährungseinrede noch gegen die Vollstreckung erheben. Dies folgt aus Sicht des VG Köln in NRW aus § 6a Abs. 1 Buchst. a VwVG NRW, wonach die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken ist, wenn die Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides gehemmt wurde.
Diese Möglichkeit stellt einen wichtigen Schutz dar, falls Betroffenen erst in der Vollstreckungsphase bewusst wird, dass der zugrunde liegende Anspruch bereits verjährt war.
Das VG Köln hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Es weist darauf hin, dass in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt sei:
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW in einem möglichen Berufungsverfahren bleibt abzuwarten und wird für zahlreiche Rückforderungsverfahren im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen von grundlegender Bedeutung sein.
Das Urteil des VG Köln stärkt die Position von Soforthilfeempfängern, gegen die Rückforderungen geltend gemacht werden. Es zeigt auf, dass die Verjährung ein wirksames Mittel gegen verspätete Rückforderungen sein kann.
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Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von ADVANT Beiten (www.advant-beiten.com). Tanja Ehls ist ebenso Partnerin der Kanzlei und arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von ADVANT Beiten. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.