31.08.2023 | Fachartikel

Die Bewertung von Immobilien ist steter Zankapfel

Otto-Schmidt-Verlag

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Mit ihrem "Bewertungserlass" vom 7.12.2022 hat die Finanzverwaltung zur Neuregelung bei der Bewertung von Immobilien Stellung genommen. In der Praxis ist es aber nach wie vor die Aufgabe der Steuerberater*innen, der Mandantschaft zu erläutern, dass es deren Aufgabe und nicht die Aufgabe der Finanzverwaltung ist, durch (teure) Gutachten den gemeinen Wert nachzuweisen, wenn der nach den allgemeinen Regeln des BewG ermittelte Wert zu hoch ist. Dieser Beitrag stellt den Bewertungserlass daher noch mal genauer vor. Insbesondere der Kreis der Gutachter*innen, die seitens der Finanzbehörden anerkannt werden, wurde erheblich vergrößert.

(Foto: © iStock.com/AndreyPopov)

Durch das Grundsteuerreformumsetzungsgesetz vom 16. Juli 2021 ist der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes von Grundvermögen gegenüber dem nach den allgemeinen Regelungen des Bewertungsgesetzes durch die § 198 Abs. 2 und 3 BewG n.F. modifiziert worden. Steuerpflichtige haben bei der Bewertung von Immobilien die Möglichkeit, einen gegenüber der pauschalen Bewertung niedrigeren gemeinen Wert nachweisen zu können. Diese Nachweismöglichkeit ist nicht neu; die Anforderungen an diesen Nachweis wurden durch die Neuregelungen in Absätzen II und III des § 198 BewG jedoch präzisiert.

Danach kann der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch Gutachten oder durch einen zeitnahen Verkauf der Immobilien vor oder nach dem Bewertungsstichtag geführt werden. Erweitert wurde insbesondere der Kreis der begutachtenden Personen und deren Qualifikationsmöglichkeiten.

Daraufhin hat die Finanzverwaltung durch gleich lautende Erlasse der Oberfinanzbehörden vom 7. Dezember 2022 auf die Neuregelung reagiert.

Zunächst einmal stellt die Finanzverwaltung klar, dass es Aufgabe der steuerpflichtigen Person ist, den Nachweis dafür zu führen, dass einer Immobilie ein abweichender niedrigerer gemeiner Wert zukommt als der Wert, der nach der eher pauschalierenden Bewertung des BewG ermittelt wird. Dabei handelt es sich um eine echte Nachweispflicht und nicht bloß um eine Darlegungslast. Deshalb ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung auch nicht ausreichend, wenn die Betroffenen nur Auszügen aus der Kaufpreissammlung vorlegen, um zu beweisen, dass der tatsächlich gemeine Wert niedriger ist.

Nachweis eines niedrigeren Werts durch Gutachten

Der Nachweis des geringeren gemeinen Wertes kann grundsätzlich durch ein qualifiziertes Gutachten geführt werden. Voraussetzung für seine Anerkennung als Nachweis ist, dass es erstellt wird durch

  1. den zuständigen Gutachterausschuss im Sinne des § 192 BewG,
  2. öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Bewertung von Grundstücken oder
  3. Personen, die nach einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter*in für die Wertermittlung von Grundstücken zertifiziert worden sind. Die für die Zertifizierung infrage kommenden Zertifizierungsstellen sind im Internet auf der Webseite der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) tagesaktuell veröffentlicht unter https://www.dakks.de/de/home.html.

Achtung! Die Nachweislast umfasst nach Auffassung der Finanzverwaltung auch den Nachweis der Qualifikation der begutachtenden Stelle. Die Qualifikation muss im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens vorliegen. Erfüllt ein Gutachten nicht die Anforderungen, ist es möglich, im Rechtsbehelfsverfahren ein Gutachten einzureichen, dass den Qualifikationsanforderungen genügt.

Für die Finanzverwaltung sind die Feststellungen des Gutachtens nicht bindend, sondern dessen Feststellungen unterliegen der freien Beweiswürdigung. Enthält es Mängel, etwa unzutreffende Feststellungen, kann es zurückgewiesen werden. Ein Gegengutachten durch die Finanzverwaltung ist dazu nicht erforderlich.  Zur Ordnungsmäßigkeit zählen die methodische Qualität und eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Gerade bei der Dokumentation des zu begutachtenden Objekts zeigen sich in der Praxis häufiger Mängel, selbst wenn die begutachtende Stelle die erforderliche Qualifikation mitbringt. Deshalb sollten Steuerpflichtige darauf bestehen, sich zunächst einen Entwurf des Gutachtens vorlegen zu lassen, um die darin gemachten Angaben zu prüfen. In dem Gutachten sind sämtliche wertbeeinflussende Faktoren zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch Belastungen öffentlicher oder privater Natur, wie Grunddienstbarkeiten oder Nießbrauchsrechte.

Die Kosten für die Begutachtung müssen von den steuerpflichtigen Personen getragen werden.

Nachweis durch zeitnahen Verkauf

Wird das Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag verkauft, kann dies als Nachweis eines geringeren gemeinen Wertes herangezogen werden, wenn die maßgeblichen Umstände gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind. Wurde oder wird das Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag verkauft, und ist der Kaufpreis niedriger als der nach den allgemeinen Regelungen des Bewertungsgesetzes ermittelte Wert, kann der Kaufpreis grundsätzlich der Bewertung zugrunde gelegt werden.

Hierbei ist darauf zu achten, dass der Finanzverwaltung im Rahmen des Feststellungsverfahrens ein entsprechender Verkauf nachgewiesen wird. Ist der Feststellungsbescheid zur Bewertung der Immobilie erst einmal bestandskräftig, ist grundsätzlich eine Änderung des Bescheides nur im Rahmen der allgemeinen Änderungsvorschriften zulässig. Erfolgt der Verkauf erst nach Eintritt der Bestandskraft, liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung ein rückwirkendes Ereignis vor, das eine Änderung auch bestandskräftiger Bescheide zulässt. Um hier jeden Ärger zu vermeiden, sollte im Zweifel - wenn ein Verkauf bereits durchgeführt oder geplant ist - der Feststellungsbescheid möglichst lange durch Einlegung von Rechtsbehelfen offengehalten werden.

Übrigens: Die Finanzverwaltung misst dem Verkaufspreis einen höheren Rang als der Wertermittlung durch qualifiziertes Gutachten bei, da der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vereinbarte und erzielte Kaufpreis nach ihrer Auffassung den sichersten Anhaltspunkt für den gemeinen Wert einer Immobilie liefert.

Fazit

Die Änderung des § 198 BewG hat einerseits für Klarheit gesorgt, indem in § 198 Abs. 3 BewG die bisher schon praktizierte Nachweismöglichkeit bei Verkauf einer Immobilie innerhalb der Jahresfrist gesetzlich verankert hat. Zudem sind begrüßenswerterweise die Qualifikationsanforderungen an die Gutachten, mit denen der niedrigere gemeine Wert nachgewiesen werden kann, erleichtert worden, indem der Kreis der als qualifiziert einzustufenden Sachverständigen erweitert wurde.

In der Praxis wird es nach wie vor die Aufgabe der Steuerberater*innen sein, der Mandantschaft zu erläutern, dass es deren Aufgabe und nicht die Aufgabe der Finanzverwaltung ist, durch (teure) Gutachten den gemeinen Wert nachzuweisen, wenn der nach dem allgemeinen Regeln des BewG ermittelte Wert zu hoch ist. Er ist insbesondere dann zu hoch, wenn sich die Immobilie in einem sehr schlechten Zustand befindet, da der tatsächliche Zustand einer Immobilie bei der allgemeinen Bewertung nach dem BewG keine Rolle spielt. Er kann nur bei Begutachtung (oder Verkauf) der Immobilie berücksichtigt werden.

Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Seit Juni 2023 ist sie Sprecherin des Erbrechtsausschusses beim Kölner Anwaltsverein. Daneben ist sie langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 31.08.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.