28.09.2023 | Fachartikel

Grunderwerbsteuer in aller Munde – Besonderheiten und BFH-Rechtsprechung

ESV - Erich Schmidt Verlag

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht *

Grunderwerbsteuer ist nicht nur – wie aktuell in Thüringen – politisch umstritten, auch rechtlich gibt es immer wieder Konflikte im Zusammenhang mit der Erhebung der den Ländern zustehenden Steuer, die in der Regel an die Kommunen weitergereicht wird. Manche Regelungen sind derart kompliziert, dass in der steuerlichen Beratung stets Alarmglocken schrillen sollten, wenn Anteile an Gesellschaften mit Immobilieneigentum übertragen werden sollen. Eine weitere Besonderheit der Grunderwerbsteuer wird anhand eines aktuellen BFH-Urteils deutlich.

RAin Susanne Christ
Foto: RAin Susanne Christ

Politisch umstritten ist insbesondere die Höhe der Grunderwerbsteuer. Denn der Steuersatz wird, auch wenn das Grunderwerbsteuergesetz in § 11 GrEStG etwas anderes suggeriert, von den Ländern festgesetzt und beträgt bundesweit zwischen 3,5 Prozent, zum Beispiel in Bayern, und 6,5 Prozent, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Hamburg hat den Steuersatz 2023 von 4,5 Prozent auf 5,5 Prozent heraufgesetzt, in Thüringen hat der Landtag – politisch und verfassungsrechtlich höchst umstritten – den Steuersatz von 6,5 Prozent auf 5 Prozent, rückwirkend auf den 1.1.2023 und gegen den Willen der thüringischen Landesregierung, herabgesetzt.

Überblick

Die Grunderwerbsteuer belief sich 2022 bundesweit auf rund 17,1 Milliarden EUR und umfasst etwa 1,9 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Sie wird insbesondere auf Kaufverträge und andere schuldrechtliche Rechtsgeschäfte, die Ansprüche auf Übereignung von Grundstücken begründen, erhoben, und entsteht – anders als Laien häufig denken – bereits mit dem wirksamen Abschluss des Kaufvertrages (und Kaufverträgen gleichgestellten Verträgen) und nicht erst durch die Übereignung des Grundstücks.

Grunderwerbsteuerpflichtig kann auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen sein, wenn zum Vermögen der Gesellschaft Grundvermögen gehört (vgl. § 1 Abs 2a, 3 GrEStG). In einem solchen Fall muss das Rechtsgeschäft von den Beteiligten angezeigt werden (vgl. § 19 GrEStG). Mit diesen Regelungen wird versucht, Umgehungsgeschäfte zu verhindern, indem Grundvermögen in Gesellschaften eingelegt werden, um dann Anteile an der Gesellschaft zu veräußern. Die Regelungen dazu sind kompliziert und werden immer wieder angepasst, so dass in der steuerlichen Beratung stets (grunderwerbsteuerliche) Alarmglocken schrillen sollten, wenn Anteile an Gesellschaften mit Immobilieneigentum übertragen werden sollen.

Entstehung mit wirksamem Abschluss des Schuldvertrags

Ob der Kaufvertrag (oder der dem Kaufvertrag gleichgestellte Vertrag) tatsächlich, wie vereinbart, erfüllt wird, ist für die Entstehung der Grunderwerbsteuer zunächst ohne Bedeutung. Dies zeigt sich auch in der Praxis. Die Grunderwerbsteuerbescheide werden häufig bereits wenige Tage nach der Beurkundung des Grundstückskaufvertrages von der Finanzverwaltung bekanntgegeben und fällig gestellt. Das macht auch Sinn, denn die Umschreibung im Grundbuch darf erst erfolgen, wenn die grunderwerbsteuerlichen Pflichten erfüllt sind und das Finanzamt eine entsprechende Freistellungserklärung ausstellt.

Allerdings ist die Steuerfestsetzung unter bestimmten Voraussetzungen aufzuheben, wenn die Erfüllung des Kaufvertrages scheitert oder der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird, vgl. dazu im Einzelnen § 16 GrEStG. In bestimmten Fällen, etwa, wenn ein Rücktritt vom Kaufvertrag von den Parteien vereinbart wird, wird die bereits entstandene Grunderwerbsteuer nur dann aufgehoben, wenn eine Zwei-Jahres-Frist eingehalten wird (vgl. z.B. § 16 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG). Keine Fristen gelten hingegen, wenn der Vertrag wegen Mängeln rückgängig gemacht wird (vgl. z.B. § 16 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 Ziff. 2, 3 GrEStG).

Achtung! Wird die Übertragung eines Gesellschaftsanteils mit Immobilieneigentum rückgängig gemacht, der dem Finanzamt nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde, besteht, auch wenn die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Grunderwerbsteuer dem Grunde nach besteht, kein Anspruch auf Aufhebung (vgl. § 16 Abs. 5 GrEStG). Deshalb sollte bei Übertragungen von Gesellschaften, die Grundstücke halten, stets die Grunderwerbsteuer geprüft und den bestehenden Anzeigepflichten vollständig nachgekommen werden.

Aufhebungsanspruch nur bei vollständiger Rückabwicklung des Vertrags

Wird ein Kaufvertrag rückabgewickelt, wird die bereits durch Abschluss des Kaufvertrages entstandene Grunderwerbsteuer nur dann aufgehoben, wenn die erwerbende Person ihre gesamte Rechtsposition aufgibt. Dazu zählt auch die Löschung der zugunsten der erwerbenden Person eingetragenen Auflassungsvormerkung. Mit Hilfe einer Auflassungsvormerkung kann die durch die Auflassung begünstigte Person die eigene Eintragung ins Grundbuch rechtlich durchsetzen, und zwar auch dann, wenn zwischenzeitlich anderweitig über das Grundstück verfügt worden ist. Das ist ja gerade der Sinn der Auflassungsvormerkung: sie soll die kaufende Partei während des Schwebezustandes zwischen Abschluss des Kaufvertrages und Eigentumswechsel vor dann zivilrechtlich noch möglichen Verfügungen der Verkäufer*in schützen und insbesondere die Kaufpreiszahlung absichern, die in der Regel vor der Eintragung im Grundbuch zu leisten ist.

Der BFH (Urteil vom 25.4.2023 – II R 38/20) hat ganz aktuell in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BFH wiederholt, dass grundsätzlich Grunderwerbsteuer nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GrEStG aufzuheben ist, wenn zwar der Grundstückskaufvertrag innerhalb von zwei Jahren einvernehmlich aufgehoben wird, nicht aber eine bestehende Auflassungsvormerkung gelöscht wird. Denn Voraussetzung für die Aufhebung der Grunderwerbsteuer ist, dass die Vertragsparteien sich derart aus den vertraglichen Bindungen entlassen, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht mehr bei der erwerbenden Person verbleibt, sondern die verkaufende Partei ihre ursprüngliche Rechtsstellung vollständig wiedererlangt.

Im Streitfall war die Auflassungsvormerkung zunächst nicht gelöscht worden, um für die Käuferin, einer GmbH in Gründung, die Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises abzusichern. Das bewog den BFH, an der ständigen Rechtsprechung festzuhalten. Der Grunderwerbsteuerbescheid war daher nicht aufzuheben; das Finanzamt musste die festgesetzte Grunderwerbsteuer von fast 400.000 Euro nicht zurückerstatten.

Befreiung von der Grunderwerbsteuer

Für die Beratungspraxis von Bedeutung sind die zahlreichen Befreiungstatbestände, die aus persönlichen oder sachlichen Gründen gewährt werden (vgl. dazu 3 f GrEStG). Veräußerungen an Eheleute oder Kinder sind von der Grunderwerbsteuer aus persönlichen Gründen ebenso befreit, wie Grundstückserwerbe, die aus sachlichen Gründen von der Grunderwerbsteuer befreit sind, etwa, wenn der Vorgang der Erbschafts- oder Schenkungsteuer unterliegt. Für die Praxis wichtig ist die Einschränkung bei der Vereinbarung einer Auflage (vgl. § 3 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG). Der Wert der Auflage, der bei der Erbschafts- und Schenkungsteuer nach § 10 Abs. 5 Ziff. 2 ErbStG als Verbindlichkeit abzuziehen ist, wird nicht von der Steuerbefreiung bei der Grunderwerbsteuer erfasst! Bedeutsam ist dies vor allem bei Schenkungen an Geschwister, Nichten/Neffen oder weiter entfernte Verwandte unter Nießbrauchsvorbehalt, da diese nicht persönlich von der Grunderwerbsteuer befreit sind. Die sachliche Grunderwerbsteuerbefreiung gilt in diesen Fällen nicht für den Wert des Nießbrauchs.

Bei Schenkungen an Kinder oder Eheleute ist dies wegen der zugleich bestehenden persönlichen Steuerbefreiung ohne Bedeutung. Schenkungen an Kinder und/oder Eheleute unter Nießbrauchsvorbehalt unterliegen daher nie der Grunderwerbsteuer.

Fazit:

Die Grunderwerbsteuer ist, da sie prozentual zum Kaufpreis zu zahlen ist, aufgrund der Wertsteigerungen der Immobilien in den vergangenen Jahren und der angestiegenen Steuersätze zu einem echten Kostenfaktor im Zusammenhang mit dem Erwerb entgeltlicher Immobilien geworden. Gerade vor dem Hintergrund der gestiegenen Immobilienpreise, insbesondere in Ballungsgebieten, sollte die Höhe der Grunderwerbsteuer immer wieder geprüft werden – und zwar nach allen Aspekten und nicht nur in puncto Erhöhung, wie jüngst in Hamburg geschehen.

Diese berechtigte Fragestellung sollte aber keinesfalls zu populistischen Zwecken missbraucht werden, sondern es bedarf einer in alle Richtungen gehenden umfassenden Prüfung der Auswirkungen eines erhöhten oder verringerten Grunderwerbsteuersatzes. Dabei sind die Auswirkungen eines verteuerten Kaufpreises auf Menschen mit geringen Einkommen und auf die Mietpreise ebenso zu berücksichtigen wie die Klärung der Frage, wie Länder und Kommunen ihren Finanzbedarf decken können. Übrigens: dieselben Fragen stellen sich bei der Grundsteuer, die ja aktuell auch in vielen Kommunen angehoben werden.

Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Seit Juni 2023 ist sie Sprecherin des Erbrechtsausschusses beim Kölner Anwaltsverein. Daneben ist sie langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 28.09.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.