21.09.2023 | OLG Hamm

Zur Sittenwidrigkeit testamentarischer Bedingungen

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte über die Wirksamkeit einer testamentarischen Bedingung zu entscheiden, die ein Hausverbot für den Lebensgefährten der Erbin vorsah. Dabei erörterte das Gericht die mögliche Sittenwidrigkeit im Kontext der grundgesetzlich geschützten Testierfreiheit.

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(Foto: © iStock.com/simpson33)

Die Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter Grundstück mit Einfamilienhaus, in dem die Mutter in einer und die Tochter mit der Enkelin in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. In ihrem legte die Erblasserin jedoch zwei Bedingungen für das Erbe fest. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten.

Testierfreiheit ermöglicht sehr großen Gestaltungsspielraum

Das OLG Hamm hat die Rechtslage eingehend erörtert (Az. 10 U 58/21). Bei der Frage, ob eine testamentarische Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, sei zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einer Erblasserin grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und sie dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat.

Sittenwidrigkeit nur in sehr engen Ausnahmefällen

Sittenwidrigkeit könne daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gilt auch für Bedingungen. Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, ist immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten.

Höchstpersönlicher Bereich der Lebensführung

Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, seien dagegen regelmäßig zulässig. Hier weise zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stehe hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein soll. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit sei aber der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge ist weiter davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte, sodass die Sittenwidrigkeit nur dazu führt, dass die Bedingung entfällt.

(OLG Hamm / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.09.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.