19.10.2023 | Beratungsfelder

Muss nur noch kurz die Welt retten…

Teletax

Von Angela Hamatschek, Steuerberater-Netzwerk delfi-net

Die Abkehr von fossilen Brennstoffen, die Auswirkungen des Klimawandels mit extremen Wetterverhältnissen, geopolitische Abhängigkeiten – es gibt viele gute Gründe für Unternehmerinnen und Unternehmer, Risikomanagement zu betreiben, klimaschonend zu wirtschaften und so für ein nachhaltigeres, resilienteres Morgen zu arbeiten. Welche Rolle können Steuerberater hierbei einnehmen? Einige Ideen für die Beratungspraxis.

Die Kernkompetenz von Steuerberatern entwickelt sich von "Unternehmenserfolg bilanzieren" weiter zu "Klimaerfolg bilanzieren". (Foto: © iStock.com/NicoElNino)

Eine Unternehmensbefragung der KfW zufolge haben díe wenigsten Firmen das Thema so richtig auf dem Schirm, zumindest noch (STB Web berichtete). Zwar sehen sich 41 Prozent der Unternehmen in Deutschland aktuell (15 Prozent) oder perspektivisch (26 Prozent) von den negativen Folgen des Klima­wandels betroffen. Gleichzeitig rechnet eine deutliche Mehrheit von 59 Prozent der Unternehmen nicht mit eigener Betroffenheit – darunter insbesondere KMU. Befragt wurden rund 11.000 Unternehmen in der ersten Jahreshälfte 2022. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel haben demnach nur 14 Prozent der Unternehmen bis dahin umgesetzt. 

"Nachhaltigkeit, saubere Energie und der Schutz unserer Umwelt sind nicht nur moralische Imperative, sondern auch die Triebkräfte der nächsten Wirtschaftsrevolution."

Dieses Zitat von Jeremy Rifkin aus seinem Buch "Die neue Weltwirtschaft und das Ende des Alten" stammt bereits von 2014, doch bringt es den Handlungsbedarf perfekt auf den Punkt.

Und hier kommen Sie als Steuerberater ins Spiel – ganz ohne Green Washing und romantische Weltretterfantasien – denn:

  1. Sie arbeiten digital und haben bereits Erfahrung in Sachen Ressourcen schonen und effizient arbeiten.
  2. Sie sind ein Knotenpunkt der Wirtschaft und können den Multiplikator-Effekt nutzen.
  3. Klimaschutz erfordert Investitionen – mit Finanzierung, Investitionsplanung und Förderung kennen Sie sich aus.
  4. Erfolgsbilanz und Klimabilanz – das klingt doch schon nach einem passenden Geschäftsfeld.

Diese 4 Punkte sind gleichzeitig ein Stufenmodell, wie Sie das Thema Klimaschutz und Handlungsmöglichkeiten mit Ihren Mandanten besprechen und dazu beraten können:

Stufe 1: Die Kanzlei als digitaler Vorreiter

Angela Hamatschek
Foto: Kanzleiberaterin Angela Hamatschek

In unserem delfi-net Steuerberater-Netzwerk haben wir viele digitale Vorreiter, die bereits seit Jahren die internen Prozesse digitalisiert und nach und nach ihre Mandanten auf die digitale Zusammenarbeit umgestellt haben. Neben dem Effizienzgewinn durch Automatisierung und Nutzung von Schnittstellen stand parallel auch das Thema Papierverbrauch reduzieren und damit einhergehend generell Ressourcen schonen im Fokus. Die Initiative QuB Qualitätsverbund umweltbewusster Betriebe wurde zum Beispiel in Bayern von einigen Steuerberatungskanzleien genutzt, um sich als nachhaltiger Betrieb zertifizieren zu lassen. Bundesweit gibt es die Möglichkeit, das Nachhaltigkeitssiegel des DQIP zu erwerben. Solche Siegel machen Ihre Kanzlei auch für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv, denen Klimabewusstsein am Herzen liegt.

Die Pandemie hat dann nochmal einen richtigen Schub in Sachen Akzeptanz der digitalen Zusammenarbeit gebracht. Erst gezwungenermaßen und dann als Gewöhnungseffekt, hat sich die virtuelle Zusammenarbeit zwischen Kanzlei und Mandant in vielen Fällen als selbstverständliche Form der Zusammenarbeit etabliert.

Aufgrund Ihres digitalen Erfahrungsschatzes in der eigenen Kanzlei und der Umstellung vieler Mandantensysteme sind Sie also ein glaubwürdiger Ansprechpartner, wenn es um effiziente Prozesse und Automatisierung geht. Und Sie können den positiven Nebeneffekt auf Umwelt und Klima als ersten Aufhänger nutzen, um mit Ihren Mandanten über deren eigene Maßnahmen zum Thema Umweltschutz und Ressourcen schonen zu sprechen.

Stufe 2: Die Kanzlei als Multiplikator

Wie viele Unternehmermandanten betreuen Sie? 100, 200, 500? Sie haben mit Ihrer Kanzlei ein Netzwerk an der Hand, mit dem Sie wirklich etwas bewegen können.

Und ja, auch die Politik muss ihre Hausaufgaben machen und wir sind in ein internationales Gefüge eingebunden, das Einzelmaßnahmen unwirksam erscheinen lässt. Doch ist das ein Argument dafür, nichts zu tun? Falls Sie Kinder haben, fragen Sie mal, was sie dazu denken. (Und keine Sorge, Sie müssen sich nicht auf die Straße kleben, um etwas zu bewegen).

Das Besondere an Ihrer Kanzlei ist gerade dieser Multiplikatoreffekt. Jeder einzelne Mandant, mit dem Sie über Möglichkeiten der Digitalisierung, reduziertem Ressourcenverbrauch oder Investitionen in klimaschonende Technologien reden, ist ein weiterer Mosaikbaustein im Bewusstsein der Gesellschaft. Nicht alle Mandanten werden zuhören oder mit Ihnen darüber sprechen wollen. Das ist ok, denn Sie sind Steuerberaterin und kein Umwelt-Missionar. Doch wie heißt es so schön: Kleinvieh macht auch Mist. Vielleicht sind es nur 10 oder 20 Mandanten, die über Möglichkeiten nachdenken, ressourcenschonender zu arbeiten. Für diese haben Sie wertvolles Know-How.

Stufe 3: Beratungsangebot Finanzierung und Investitionsplanung

Klimaschutz erfordert oft Investitionen in neue Technologien und Prozesse. Als Steuerberater sind Sie bestens vertraut mit den Themen Finanzierung, Investitionsplanung und Fördermöglichkeiten. Nutzen Sie diese Wissen und sprechen Sie das Thema an. Ein passender Aufhänger dazu sind die Förderungen der Klimaschutzoffensive der KfW.

Dadurch erhalten Unternehmen die Möglichkeit, in klimafreundliche Technologien und Produkte zu investieren. Die geförderten Aktivitäten sind in sieben Module gegliedert. Nicht jedes Modul passt für alle Unternehmen, doch die Bandbreite ist groß, sodass sich ein Blick in die einzelnen Module auf der Webseite der KfW lohnt:

  • Modul A: Herstellung klimafreundlicher Technologien
  • Modul B: Klimafreundliche Produktionsverfahren in energieintensiven Industrien
  • Modul C: Energieversorgung
  • Modul D: Wasser, Abwasser, Abfall
  • Modul E: Transport und Speicherung von CO2
  • Modul F: Integrierte Mobilitätsvorhaben
  • Modul G: Green IT

Das Spektrum der geförderten Maßnahmen reicht dabei von der Herstellung erneuerbarer Energien und Wasserstofftechnologien bis hin zur Entwicklung energieeffizienter Gebäudetechnik und Batterien. Auch Anlagen zur CO2-armen Bereitstellung von Strom und Wärme sowie zur Trinkwasserbereitstellung und Abwasserbehandlung werden unterstützt. Für Unternehmen, die sich in Richtung nachhaltiger Mobilität orientieren, gibt es Förderungen für Elektrofahrzeuge, Ladeinfrastruktur und sogar für den Ausbau von Radwegen.

Wie wäre es beispielsweise mit Fragen wie:

  • Was würde es bedeuten, wenn Sie Ihren kompletten Fuhrpark auf Hybrid oder Elektro-Fahrzeuge umstellen?
  • Welche Maßnahmen wären erforderlich und was würden diese kosten, um den Stromverbrauch/Heizbedarf um die Hälfte zu reduzieren?
  • Welche energieintensiven Rohstoffe verwenden wir heute, für die es ressourcenschonendere Alternativen gibt? Da ist die Umstellung von Papier auf digital schon die erste Wahl.

Das bringt die Mandanten auch auf Ideen für klimafreundliche Investitionen, über die er oder sie möglicherweise bis jetzt noch gar nicht nachgedacht hat. Und Sie rechnen den Finanzierungsbedarf aus, die Amortisationsdauer und was noch so alles dazu gehört.

Stufe 4: Beratungsangebot Klimabilanz

Die Frage nach der Erstellung einer Erfolgsbilanz (ich finde, das ist ein besserer Ausdruck als "Jahresabschluss") wird sich in Zukunft erweitern, denn immer mehr Unternehmen legen Wert auf ihre Klimabilanz, weil es der Markt erfordert und/oder die Unternehmer selbst mit gutem Beispiel vorangehen wollen.

Zwei EU-Richtlinien treiben diese Entwicklung voran:

Da wäre zum einen die CSRD Corporate Sustainability Reporting Directive – die neue EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung. Und auch wenn die Verpflichtung ab dem Geschäftsjahr 2025 nur für einen eher kleineren Teil der Unternehmen gilt (nämlich wenn zwei von drei dieser Merkmale zutreffen: mit mehr als 250 Mitarbeitern / Umsatzerlöse über 40 Millionen / Bilanzsumme über 20 Millionen), wollen immer mehr Unternehmen auch heute schon wissen, wie ihr CCF Corporate Carbon Footprint aussieht.

Und dann gibt es das deutsche Lieferkettengesetz. Auf den ersten Blick scheint auch dieses mit Ihren typischen Unternehmermandanten wenig zu tun zu haben, denn ab 2024 gilt es nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – das betrifft rund 4.800 Unternehmen in Deutschland. Doch die indirekte Betroffenheit Ihrer Mandanten kann schnell zu Handlungsbedarf führen. Denn das Lieferkettengesetzt fordert von diesen Unternehmen, dass sie ihre unmittelbaren und anlassbezogen auch mittelbaren Zulieferer auf den Prüfstand stellen und eine Risikoanalyse mit entsprechenden Präventions- und Abhilfemaßnahmen einfordern. Ein kritischer Blick, ob Mandanten von Ihnen davon betroffen sein könnten, ist auf jeden Fall sinnvoll.

Die Unterstützung bei der Erstellung einer Klimabilanz kann in Zukunft ein spannendes Beratungsfeld für Kanzleien werden. Vor allem, wenn Lösungen auf den Markt kommen wie bereits in Großbritannien, bei denen direkt auf die Buchhaltungsbelege zugegriffen wird und daraus CO2-Werte abgeleitet werden. Ein Beispiel dafür ist Sage Earth: Anhand von Tankquittungen liest die Software die Art des Treibstoffs und Menge in Litern aus und rechnet das in CO2 um.

Mein Tipp: starten Sie mit Ihrer eigenen Klimabilanz. Für unsere eigenen Unternehmen Kanzleioptimisten und delfi-net nutzen wir das Tool Klimahelden.eu, ermitteln damit unseren ökologischen Fußabdruck und leiten Maßnahmen daraus ab, wie wir weniger CO2 produzieren. Nach Mallorca zum Jahrestreffen unseres delfi-net Netzwerks wie 2008 würden wir aus diesem Grund beispielsweise jetzt nicht mehr fliegen.

Fazit

In einer Zeit, in der Klimaschutz und Digitalisierung immer wichtiger werden, haben Sie als Steuerberater die Möglichkeit, eine Schlüsselrolle zu spielen. Sie können Ihren Mandanten nicht nur dabei helfen, ihre ökologische Verantwortung wahrzunehmen, sondern auch ihren wirtschaftlichen Erfolg nachhaltiger zu gestalten. Die Verbindung von ökologischem und ökonomischem Denken wird immer bedeutsamer, und Sie haben das Potenzial, diese Verbindung zu herzustellen.

Dieser Wandel ist also nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance. Indem Sie sich als Vorreiter in diesem Bereich positionieren, stärken Sie nicht nur Ihr eigenes Geschäft und machen Ihre Kanzlei mit zukunftsorientierten Dienstleistungen attraktiv, sondern leisten auch einen positiven Beitrag zur Zukunft unseres Planeten.


Zur Person

Angela Hamatschek Angela Hamatschek ist Kanzleiberaterin und Partnerin des delfi-net Steuerberater-Netzwerk mit rund 90 Kanzleien bundesweit. Bei den "Kanzleioptimisten" hält sie Webinare und Workshops zur Kanzleientwicklung und in ihrem Podcast "Leseoptimistin" bespricht sie regelmäßig Managementbücher.

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 19.10.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.