25.07.2024 | Fachartikel/Kommentar

4-Tage-Woche & Co: Sinn und Unsinn

ESV - Erich Schmidt Verlag

Von Zach Davis, Simple First Consulting GmbH

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Äußerungen rund um das Thema 4-Tage-Woche und andere Arbeitszeitverkürzungsmodelle. Wie bei den meisten Themen sind auch hierzu die Beiträge unterschiedlich sinnvoll. Die 4-Tage-Woche kann eine tolle Sache sein. Dann ist sie jedoch die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte und nicht die Torte selbst.

Die 4-Tage-Woche kann eine tolle Sache sein kann. Sie ist jedoch die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte und nicht die Torte selbst. (Foto: © iStock.com/small1)

Die meisten Kanzleientscheider hoffen durch eine 4-Tage-Woche auf manche oder alle der folgenden Vorteile:

  • Bindung der Teams, also ein Beitrag zur Senkung der Fluktuation
  • Stressreduktion im bestehenden Team durch mehr Erholungszeit
  • Attraktivität als Arbeitgeber für potenzielle neue Mitarbeiter, also einen positiven Effekt in der Rekrutierung

4-Tage-Woche und Teilzeitkräfte

Zunächst sei festgestellt, dass die meisten Teilzeit-Mitarbeiter ohnehin schon die Anzahl an Wochenstunden arbeiten, die sie arbeiten wollen. Ob man bei diesen einen nennenswerten Effekt erzielt, indem man die Stundenanzahl reduziert, ist zumindest fraglich. Natürlich geht es bei der 4-Tage-Woche primär um die Vollzeitkräfte. Aber in der Praxis braucht es bei einer Reduktion der Wochenstundenzahl der Vollzeitkräfte, die in der Regel zumindest in weiten Teilen ohne Lohnverzicht stattfindet, in diesem Zuge auch eine Regelung für die Teilzeitkräfte. Sonst heißt es: "Was haben denn wir davon?". Natürlich gilt, dass Mitarbeiter im Regelfall kein Problem damit haben, das gleiche Gehalt für weniger Arbeit zu erhalten. Ob das alleine jedoch nennenswert einen der oben angeführten Vorteile mit sich bringt, ist zumindest fraglich.

Wann die 4-Tage-Woche keinen Sinn macht

Wann macht die Einführung eine 4-Tage-Woche keinen Sinn? Wenn die Belastung so hoch ist, dass man schon mit der aktuellen Stundenzahl nicht hinterherkommt! Das verschlimmert oft das Problem. Einfach zu hoffen, dass automatisch eine höhere Produktivität entsteht, die die geringe Stundenzahl kompensiert, ist keine Strategie.

Ein Vorschlag zur Güte

Foto: © Zach Davis, Simple First Consulting GmbH

Wie wäre es mit einer anderen Vorgehensweise? Vielleicht mögen Sie Ihrem Team schildern, dass Sie sich grundsätzlich vorstellen könnten, in mittelfristiger Zukunft in Richtung einer 4-Tage-Woche in irgendeiner Form zu gehen – wenn man die Arbeitslast vorher reduzieren konnte. Wenn die grundsätzliche Idee keinerlei Anziehungskraft hat, wird die Wirkung vermutlich nicht besonders groß sein. Wenn die Idee etwas Anstrebenswertes für das Team ist, hat man eine gute Situation. Man kann dann mit dem Team Voraussetzungen definieren, unter welchen man guten Gewissens in die 4-Tage-Woche gehen könnte. Häufige Punkte sind hierbei:

  • Abbau des Rückstands von 5 Monaten auf 2 Monate
  • Ein bestimmter Anteil der Mandanten, der digitalisiert wurde
  • Dass mindestens eine Fachkraft mehr da ist als aktuell

Damit hat man Ziele, an denen gemeinsam gearbeitet werden kann. Diese sind in der Regel erstrebenswert – auch unabhängig von einer Arbeitszeitverkürzung.

Halten Sie es einfach!

Wenn es dann um die tatsächliche Einführung einer 4-Tage-Woche geht, ist die Empfehlung: Halten Sie es einfach. Hierbei ist es sehr hilfreich, im Team mehrfach darauf hinzuweisen, dass jeder Einzelne besser gestellt sein wird als vorher und dass es eine perfekte Gerechtigkeit nicht geben wird. Wenn jemand bspw. Donnerstag generell nicht arbeitet und jemand anderer dienstags nicht, ist mal der eine und mal der andere in Sachen Feiertage im Vorteil. Das ist ohne 4-Tage-Woche der Fall und ändert sich auch nicht mit Einführung einer 4-Tage-Woche. Bitte weisen Sie Ihre Mitarbeiter auch darauf hin, dass man einen Tag nicht doppelt freihaben kann („das ist ja eh ein Feiertag, dann habe ich ja in der Woche nichts davon“). Man kann einen Tag nur einfach freihaben und es gibt auch keinen Anspruch, die Hälfte des doppelt freien Tages auf einen anderen Tag zu übertragen.

Die 4-Tage-Woche-Flex

Ein konkretes Modell, das in der Regel besser funktioniert als einfach "Freitag hat jetzt jeder frei", ist die 4-Tage-Woche-Flex: Diese sieht so aus, dass es zwei Gruppen gibt. Gruppe A hat bspw. am ersten und dritten Freitag im Monat frei. Gruppe B hat am zweiten und vierten Freitag des Monats frei. Hierbei gilt es natürlich zu berücksichtigen, dass gerade im Lohnbereich und in der Buchhaltung bestimmte Termine ungünstig sein können, wenn diese wegfallen. Die Freitage, die man nicht frei hat, arbeitet man. Der Clou ist, dass man an diesen Freitagen von außen nicht erreichbar ist – keine Mandanten, kein Finanzbeamter. Man arbeitet einfach, weitgehend frei von Unterbrechungen.

Dieses Modell führt zu signifikanten Vorteilen:

  • Der Löwenanteil des Nutzens der freien Tage wird schon durch zwei freie Freitage pro Monat erzielt, weil der Grenznutzen freier Freitag abnimmt. Die meisten Mitarbeiter wollen mal für ein langes Wochenende wegfahren oder private Termine am Freitag wahrnehmen. In der Regel ist das bereits durch zwei freie Freitage gut erfüllt.
  • An den Freitagen, an denen man arbeitet, geht man mit einem guten Gefühl ins Wochenende, weil man deutlich mehr geschafft hat als sonst.
  • Es fällt nur halb so viel Arbeitszeit aus. Wenn am Freitag 5 Stunden gearbeitet wird, sind es nicht 20 Stunden, sondern nur 10 Stunden pro Monat, die fehlen. Diese könnten man dann zur Hälfte den Mitarbeitern schenken (bei gleichbleibendem Gehalt eine Erhöhung des Stundenlohns) und die andere Hälfte auf Montag bis Donnerstag verteilen. Um Ihnen die Rechnung zu ersparen: Das sind 300 Minuten. Wenn wir von 15 Arbeitstagen ausgehen, sind das 20 Minuten pro Tag.

Fragwürdige Schmerzbehandlung

Es ist sicherlich kein guter Ratgeber, eine 4-Tage-Woche einzuführen, wenn alle überlastet sind oder in der Hoffnung, hierdurch andere Missstände kompensieren zu können – nach dem Motto "Ich weiß, dass es schlimm ist, hier 5-mal die Woche sein zu müssen. Meine Strategie, um Dich von der Flucht abzuhalten, besteht darin, den Schmerz auf nur 4-mal pro Woche zu reduzieren".

Die Kirsche auf der Torte

Zum Abschluss sei betont, dass die 4-Tage-Woche eine tolle Sache sein kann. Sie ist jedoch die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte und nicht die Torte selbst – sprich kein Ersatz für andere Faktoren der Arbeitgeberattraktivität, wie beispielsweise das Betriebsklima, ein modernes Büro, ein gutes Vergütungspaket, Entwicklungsmöglichkeit, Respekt im Umgang miteinander etc. Der Erfolg oder Misserfolg hängt entscheidend vom Zeitpunkt, den Voraussetzungen und der konkreten Ausgestaltung ab.

Zusatznutzen

Der Autor bietet Ihnen weiterführende Unterlagen zur Arbeitgeberattraktivität, insbesondere zur 4-Tage-Woche Flex und zum Thema Fluktuationsvermeidung.

Klicken Sie hierzu auf: https://www.simple-first.de/at


Zur Person:

Zach DavisZach Davis ist Experte für Kapazitätsengpässe, Zeitintelligenz und Mitarbeitergewinnung, Vortragsredner des Jahres 2011, erfolgreicher Speaker und Berater. Als Coach unterstützt er Steuerkanzleien dabei, mehr Mitarbeiter zu gewinnen, sowie produktiver und profitabler zu werden. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer der Simple First Consulting GmbH (www.simple-first.de)