26.01.2023 | Bundesfinanzhof

Überraschungsentscheidung

Der BFH hatte sich mit einer von ihm selbst so bezeichneten Überraschungsentscheidung zu befassen. Eine solche kann vorliegen, wenn das FG die Klageabweisung auf einen Gesichtspunkt stützt, den weder die Beteiligten noch das Gericht zuvor in das Verfahren eingeführt haben. Hinzu kam, dass dies zudem auf rechtlich fehlerhafter und tatsächlich zweifelhafter Grundlage geschah.

(Foto: © Bundesfinanzhof, Fotograf: Andreas Focke)

Im konkreten Sachverhalt war zwischen den Beteiligten bis zur Entscheidung des FG München nur streitig, ob der Kläger ein Veräußerungsgeschäft nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG realisieren konnte, obwohl zuvor über das Vermögen der AG bereits das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Das Finanzamt hatte dies verneint; der Kläger hielt dies für rechtlich nicht ausgeschlossen. Streitig war zudem, ob der Kläger die Wertlosigkeit der Aktien im Zeitpunkt der Veräußerung der Aktien zum Erinnerungswert von 1 Euro nachgewiesen hatte.

Weist das FG bei dieser Sachlage die Klage ohne mündliche Verhandlung mit der – neuen – Begründung ab, die Anteilsveräußerung könne als Vertrag zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, weil die Klägerin nicht, wie zwischen Dritten üblich, im Aktienregister eingetragen worden sei, muss der Kläger mit dieser Wendung jedenfalls dann nicht rechnen, wenn sich die Begründung auch noch als rechtlich fehlerhaft und tatsächlich zweifelhaft erweist.

Denn auf die fehlende Eintragung im Aktienregister könne die steuerliche Unbeachtlichkeit einer Aktienübertragung nicht gestützt werden, auch nicht im Fall einer Übertragung zwischen nahen Angehörigen. Vor diesem Hintergrund musste der Kläger auch nicht damit rechnen, dass das FG der (fehlenden) Eintragung im Aktienregister konstitutive Bedeutung für die Wirksamkeit der Veräußerung beimessen könnte.

Mit Beschluss vom 12.1.2023 (Az. IX B 29/22) hat der BFH das Urteil des FG München vom 17.03.2022 (Az. 13 K 766/20) aufgehoben und die Sache an das FG München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

(BFH / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.01.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.