21.05.2024 | Gastbeitrag

Der Weg zum Urteil – wie kommt eigentlich die Entscheidung im Finanzgericht zustande?

Von Ri’inFG Andrea-Alexandra Bartels und RiFG Dr. Thomas Keß

Das Klageverfahren bei einem Finanzgericht beginnt mit der Erhebung der Klage und endet - wenn sich der klagende Steuerpflichtige und das beklagte Finanzamt nicht verständigen - regelmäßig durch ein Urteil des Senats. Aber wie kommt dieses Urteil zustande? Wer darf und muss entscheiden und welche Phasen durchläuft die Entscheidungsfindung? Richterin am Finanzgericht Andrea-Alexandra Bartels und Richter am Finanzgericht Dr. Thomas Keß, beide tätig am Niedersächsischen Finanzgericht, erläutern in diesem Beitrag den genauen Ablauf.

Foto: © Niedersächsisches Finanzgericht

Nach dem Eingang der Klageschrift im Finanzgericht wird diese dem zuständigen Richter als Berichterstatter zur Vorbereitung zugewiesen. Regelmäßig werden in der Folge die Verwaltungsakten des Finanzamtes angefordert, es findet ein Austausch von Schriftsätzen zwischen den beiden Beteiligten statt und der Sachverhalt wird ggf. ergänzend weiter aufgeklärt, bis der Fall "ausgeschrieben" ist. Auf dieser Grundlage erstellt der Berichterstatter ein Votum – also einen Entscheidungsvorschlag –, in dem er den von ihm (bis dahin) festgestellten Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung zusammenfasst. Das Verfahren kann nun durch den Senatsvorsitzenden zur mündlichen Verhandlung geladen werden.

Berichterstatter, Vorsitzender und dritter Berufsrichter

Vor der mündlichen Verhandlung findet eine Vorberatung der Berufsrichter des Senats statt, also des Berichterstatters, des Vorsitzenden und des dritten Berufsrichters. Alle Berufsrichter haben sich auf der Grundlage des Votums und ggf. ergänzend anhand der Streitakten in den Fall eingearbeitet. Die Berufsrichter besprechen den Sachverhalt und diskutieren das Votum des Berichterstatters. Regelmäßig ergibt sich auf dieser Grundlage eine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslageauffassung, die den Beteiligten häufig telefonisch durch den Berichterstatter oder den Vorsitzenden mitgeteilt wird. U.U. besteht auch noch weitergehender Aufklärungsbedarf, der ebenfalls mit den Beteiligten besprochen wird.

Die mündliche Verhandlung

In der mündlichen Verhandlung trägt der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten auf der Grundlage seines Votums vor. Dies dient zum einen dazu, dass die Beteiligten die Richtigkeit der Feststellungen überprüfen können, zum anderen werden aber die ehrenamtlichen Richter erstmals über den Streitfall ins Bild gesetzt, weil diese vor der mündlichen Verhandlung keine Aktenkenntnis haben. Hierauf folgt die Erörterung der Sach- und Rechtslage, bei der insbesondere die streitigen Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eingehend durch die Richter und die Beteiligten diskutiert werden. Dabei weist der Vorsitzende regelmäßig auch auf die Überlegungen der Berufsrichter in ihrer Vorberatung hin. U.U. werden die geladenen oder anwesenden Zeugen vernommen oder Sachverständige gehört, um noch streitigen Sachverhalt aufzuklären.

Berufsrichter und ehrenamtliche Richter

Kommt es in der mündlichen Verhandlung nicht zu einer einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits durch die Beteiligten oder zu einer Rücknahme der Klage, erfolgt eine – nicht öffentliche - Beratung des Senats. Auf Grundlage der Vorbereitung und der Feststellungen in der mündlichen Verhandlung besprechen die Berufsrichter und die ehrenamtlichen Richter den Fall erneut. Zunächst fasst der Berichterstatter noch einmal den wesentlichen Sachverhalt und insbesondere die in der mündlichen Verhandlung gewonnenen, neuen Erkenntnisse zusammen, stellt seine rechtliche Würdigung dar und schlägt auf dieser Grundlage eine Entscheidung vor. Dabei muss er darauf bedacht sein, den ehrenamtlichen Richtern, bei denen es sich um steuerrechtliche Laien handelt, die häufig nicht einfache Rechtslage verständlich zu vermitteln.

Abstimmung im Senat

Abschließend findet die Abstimmung im Senat statt, bei der die ehrenamtlichen Richter wie die Berufsrichter eine Stimme haben. Zunächst votiert der Berichterstatter, dann die ehrenamtlichen Richter, zuletzt der Vorsitzende. Die Entscheidung erfolgt nach der Mehrheit der Stimmen, ein „Unentschieden“ ist aufgrund der Anzahl der Richter (fünf) nicht möglich, Einstimmigkeit ist nicht erforderlich. Die so gefundene Entscheidung, also regelmäßig das Urteil, wird den Beteiligten anschließend verkündet oder zugestellt. Aufgrund des Beratungsgeheimnisses wird das Stimmverhalten der einzelnen Richter nicht bekannt gegeben.

(Niedersächsisches FG / STB Web)