29.08.2023 | Digitalpolitik
Die Bundesregierung hat sich ambitionierte digitalpolitische Ziele gesetzt, kommt mit der Umsetzung jedoch nur schwer voran. Mehrere Verbände und Organisationen ziehen eine kritische Zwischenbilanz.
Einer Analyse des Digitalverbands Bitkom zufolge, sind nach knapp der Hälfte der aktuellen Legislaturperiode lediglich 38 der insgesamt 334 digitalpolitischen Vorhaben abgeschlossen. Das entspricht einem Anteil von 11 Prozent. 219 Vorhaben (66 Prozent) befinden sich in Umsetzung, 77 Vorhaben und damit knapp jedes vierte (23 Prozent) wurden noch nicht begonnen. Das zeigt der "Monitor Digitalpolitik", den Bitkom aktuell vorgestellt hat.
Große Fortschritte seien beim Ausbau der Breitband- und Mobilfunknetze gemacht worden und auch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens käme man inzwischen gut voran. Großbaustellen sind aus Sicht von Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst hingegen die Digitalisierung der Verwaltungen und der Schulen sowie die Datenpolitik.
Verwaltung und Bildung bleiben Großbaustellen
Zu den Unvollendeten gehört etwa das Onlinezugangsgesetz (OZG) 2.0, eines der wichtigsten digitalpolitischen Projekte der Bundesregierung. Mit dem ursprünglichen Onlinezugangsgesetz 1.0 sollten bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen online abgewickelt werden können. Dieses Ziel sei weit verfehlt worden. "Die rückständige deutsche Verwaltung wächst sich zu einem veritablen Standortnachteil aus, der Haushalte und Unternehmen gleichermaßen belastet. Digitale Verwaltung heißt nicht nur, dass die Bürgerinnen und Bürger Geburtsurkunden und Reisepässe digital beantragen können. Digitale Verwaltung heißt auch, Genehmigungsverfahren und Berichtspflichten für Unternehmen zu digitalisieren und zu vereinfachen. Die Bürokratie ist aktuell der größte Bremsklotz für das digitale Deutschland", betont Wintergerst.
Mehrheit der Bevölkerung sieht keine Fortschritte bei digitaler Transformation
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Verband der Internetwirtschaft Eco. Die Digitalisierung solle vor allem Bürger*innen zugutekommen, so der erklärte Anspruch der Ampelkoalition. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von eco zeigt jedoch, dass die überwiegende Mehrheit (70,1 Prozent) der Befragten keinerlei Fortschritte in wichtigen Bereichen der digitalen Transformation erkennt. Den größten Handlungs- und Entwicklungsbedarf sehen die Bürger*innen laut Umfrage vor allem in den Bereichen Digitalisierung von Behörden und Verwaltung (63 Prozent), Ausbau digitaler Infrastruktur (53 Prozent) und Cybersicherheit (33 Prozent). "Mangelhafte Koordination und eine Verantwortungsdiffusion in der Bundesregierung sind ursächlich für die schleppende Digitalisierung in Deutschland", sagt eco Geschäftsführer Alexander Rabe. Besonders alarmierend seien die schlechten Ergebnisse im Bereich digitale Verwaltung, da effizient und schnell arbeitende Behörden die Grundvoraussetzung für den modernen Staat seien und entscheidend im Umgang mit Krisen, wie die Pandemie deutlich gemacht habe.
Strukturelle Einbindung der Zivilgesellschaft nötig
Auch das Bündnis Bits & Bäume, ein Netzwerk aus 13 Organisationen aus Umweltschutz, Digitalpolitik, Entwicklungspolitik und Wissenschaft, kritisiert zur Halbzeit der Legislatur eine bislang enttäuschende Umsetzung der Digitalpolitik der Bundesregierung. Die Ampel habe bisher nur wenige Projekte angestoßen und plane, diese im Haushalt für das kommende Jahr sogar zusammenzusparen. Zudem müsse die Zivilgesellschaft stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. "Vielfältige zivilgesellschaftliche Perspektiven sind essenziell, um Digitalisierung demokratisch und nachhaltig zu gestalten. Eine Entwicklung in diese Richtung ist punktuell erkennbar, jedoch fehlt es nach wie vor an struktureller Einbindung und Mitgestaltung. Weder bei der Digitalstrategie noch beim Digital-Gipfel im vergangenen Jahr wurde die Zivilgesellschaft nennenswert miteinbezogen", stellt Lilli Iliev, Leiterin Politik und öffentlicher Sektor bei Wikimedia Deutschland, fest. An der Halbzeitkritik der Bundesregierung haben sich 21 Akteure aus der digitalpolitischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt. Eine Übersicht aller Organisationen findet sich auf der Website der Free Software Foundation Europe.
(Bitkom / eco / IÖW / STB Web)
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 29.08.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.