23.02.2023 | Fachartikel

Das erbschaftsteuerliche Verfahrensrecht: Überblick und Praxistipps

Otto-Schmidt-Verlag

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Das erbschaftsteuerliche Verfahrensrecht hält selbst für versierte Steuerberater*innen Herausforderungen und Tücken bereit. Auch wenn das Finanzamt lange still hält, kann es bei Fehlern noch nach Jahren zu Schätzungen kommen. So mancher Vorgang musste deshalb schon der Berufshaftpflichtversicherung gemeldet werden. Der folgende Beitrag stellt die Pflichten detailliert dar und gibt Hinweise für die steuerberatende Praxis.

Wer mit der Erledigung der steuerlichen Pflichten rund um eine Erbschaft beauftragt ist, sollte die Mandantschaft auf verfahrensrechtliche Folgen hinweisen. (Foto: © iStock.com/Ridofranz)

Zur Sicherung des Erbschaftsteueranspruchs gibt es umfangreiche Anzeige- und Steuererklärungspflichten; werden diese nicht oder nur verspätet erfüllt, führt dies zu zum Teil erheblichen Verlängerungen der Verjährungsfristen; zugleich kann dadurch eine leichtfertige Steuerverkürzung oder sogar eine Steuerhinterziehung begründet werden. Auch drohen, wenn die Steuererklärung trotz Aufforderung nicht eingereicht wird, Verspätungszuschläge.

Nachfolgend sind die wichtigsten steuerlichen Pflichten, die bei einer Erbschaft bestehen, zusammengestellt.

Anzeige der Erbschaft beim Finanzamt innerhalb von drei Monaten

Wer erbt, ist grundsätzlich verpflichtet, die Erbschaft innerhalb von drei Monaten beim Finanzamt anzuzeigen, vgl. § 30 ErbStG. Dabei sind u.a. der Wert der Erbschaft, das Verwandtschaftsverhältnis und etwaige Vorerwerbe anzugeben. Anhand dieser Anzeige soll das Finanzamt in die Lage versetzt werden, zu entscheiden, ob für die Erbschaft Steuern zu zahlen sind. Ist mit einer Steuerzahlung zu rechnen, wird das Finanzamt zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auffordern.  

Besonderheiten hinsichtlich der Anzeigepflicht gelten vor allem bei notariell beurkundeten Testamenten oder anderen notariell erstellten Verfügungen von Todes wegen. Grundsätzlich bedarf es dann keiner Anzeige beim Finanzamt.

Aber davon gibt es bedeutsame Ausnahmen! Zählen zum Nachlass etwa eine Immobilie, Betriebsvermögen oder bestimmte Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft muss auch bei notariellem Testament die Erbschaft dem Finanzamt angezeigt werden. Das gilt auch dann, wenn für die Immobilie eine Steuerbefreiung, etwa für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Ziff. 3 b, c ErbStG, in Anspruch genommen werden soll. Das heißt, dass alle Nachlässe, die Immobilien enthalten, von den Erbenden beim Finanzamt angezeigt werden müssen.

Vorsicht vor leichtfertiger Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung

Unterbleibt die Anzeige, kann dies bereits eine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung begründen. Unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung wird der Beginn der Verjährung gehemmt. Grundsätzlich beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Todesfall eingetreten ist, § 170 Abs. 1 AO. Besteht eine Anzeigepflicht, beginnt die Verjährung aber frühestens mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Anzeige beim Finanzamt eingereicht wird; spätestens nach Ablauf von drei Jahren.

Ist also beispielsweise die Ehefrau E, die ihren Mann M durch handschriftliches Testament zum Erben eingesetzt hat, am 21.1.2022 verstorben, beginnt die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2022. Wird allerdings von M die Erbschaft nicht beim Finanzamt angezeigt, beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des 31.12.2025.

Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung

Eine Erbschafsteuererklärung muss nur dann eingereicht werden, wenn das Finanzamt dazu auffordert. Flattert eine solche Aufforderung ins Haus, muss die Steuererklärung auch abgegeben werden. Und zwar auch dann, wenn die Meinung vertreten wird, dass auf das Erbe keine Erbschaftsteuer zu zahlen ist. Denn mit Hilfe der Steuererklärung möchte das Finanzamt genau das prüfen.

Wichtig! In der Regel setzt das Finanzamt für die Abgabe der Steuererklärung eine Frist. Diese sollte unbedingt eingehalten wenden. Denn bei verspätet eingereichter Erklärung kann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag erheben. Die Höhe richtet sich nach der Höhe der Erbschaftsteuer und der Dauer der Verspätung. Außerdem verjährt die Erbschaftsteuer später.

Hinweis für die Steuerberatung: Auf diese Folgen sollten Sie, wenn Sie mit der Erledigung der steuerlichen Pflichten rund um eine Erbschaft beauftragt sind, die Mandantschaft hinweisen. Kann die Steuererklärung nicht innerhalb der vom Finanzamt gesetzten Frist abgegeben werden, sollte - schon zur Vermeidung von Verspätungszuschlägen – vor Ablauf der Abgabefrist eine Fristverlängerung beantragt werden. Diese kann auch mehrfach gestellt werden; in der Regel ist die Finanzverwaltung großzügig mit der Gewährung von Fristverlängerungen. Vorteilhaft ist, dass für die Zeit bis zur Festsetzung der Erbschaftsteuer, auch nach gewährter Fristverlängerung, keine Zinsen erhoben werden. Somit führt die Fristverlängerung nicht zu einer höheren Zinsbelastung.

Hemmungsgründe können nebeneinander bestehen

Fordert das Finanzamt zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auf, hemmt das ebenfalls den Lauf der Verjährung bis zum Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens für drei Jahre.

Zurück zum Beispiel: Fordert das Finanzamt den Ehemann am 15.1.2023 zur Abgabe einer Erbschafsteuererklärung auf, und wird diese nicht eingereicht, wird die Verjährung bis zum Ablauf des 31.12.2026 gehemmt. Das gilt, wie der BFH ausdrücklich entschieden hat, auch dann, wenn die Verjährung bereits wegen Nichtanzeige der Erbschaft gehemmt war. Beide Hemmungsgründe können nebeneinander bestehen.

Besteht der Nachlass auch aus Immobilien, ist der Wert der Immobilie gesondert festzustellen. Dazu wird das Finanzamt, das für die Erfassung der Immobilie örtlich zuständig ist, zur Abgabe einer gesonderten Feststellungserklärung auffordern. Sind im Nachlass mehrere Immobilien enthalten, werden entsprechend mehrere Feststellungserklärungen angefordert. Auch hier gilt: Wird die Feststellungserklärung nicht oder verspätet eingereicht, führt dies zur Hemmung der Verjährung.

Erbschaftsteuer wird festgesetzt

Die Erbschaftsteuer wird durch Erbschaftsteuerbescheid festgesetzt; sind Immobilienwerte gesondert festzustellen, werden diese Werte durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt. Entsprechendes gilt für Betriebsvermögen. Ist die Steuer verjährt, darf sie nicht mehr festgesetzt werden. Wurde keine Erbschaftsteuererklärung oder Feststellungserklärung eingereicht, ist das Finanzamt, solange noch keine Verjährung eingetreten ist, berechtigt, die Steuer zu schätzen und kann ggf. einen Verspätungszuschlag festsetzen.

Verjährung von Erbschaftsteuer

Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist bei der Erbschafsteuer vier Jahre, sie verlängert sich bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf und bei Steuerhinterziehung auf zehn Jahre. Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entsteht, also dem Todesjahr. Wird der Erwerb dem Finanzamt nicht angezeigt, beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Anzeige erfolgt, spätestens aber nach Ablauf von drei Jahren. Dasselbe gilt, wenn das Finanzamt zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auffordert. Auch dann beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Erklärungen eingereicht werden, spätestens mit Ablauf von drei Jahren.

Da die Nichtabgabe einer Erbschaftsteuererklärung in der Regel eine leichtfertige Steuerverkürzung, wenn nicht sogar eine Steuerhinterziehung begründet, verlängert sich außerdem die Verjährungsfrist auf fünf oder gar zehn Jahre. D.h., ehe die Steuer in solchen Fällen verjährt, können mitunter 10 bis 15 Jahre vergehen. Dies zeigt, dass es in der Regel nicht sinnvoll ist, durch Untätigkeit auf eine Verjährung der Steuer zu spekulieren. Auch wenn das Finanzamt lange Zeit nicht reagiert; häufig wird das Finanzamt erst vier oder fünf Jahre nach dem Erbfall aktiv. Hatte es zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert, werden dann auch zum Teil sehr hohe Verspätungszuschläge fällig. Und handelt es sich um eine hohe Steuer, steigt das Risiko, dass ein Strafverfahren eröffnet wird. Sich wegzuducken ist also nicht zu empfehlen.

Praxishinweis: Häufig setzt das Finanzamt die Erbschaftsteuer bereits zu einem Zeitpunkt fest, zu dem die gesonderten Feststellungen noch nicht durchgeführt worden sind. Im Erbschaftsteuerbescheid werden dann häufig die Werte der Besteuerung zugrunde gelegt, die von der Mandantschaft in der Erbschafsteuererklärung genannt wurden. Weichen die Werte in den gesonderten Feststellungsbescheiden ab, wird die Erbschafsteuerfestsetzung entsprechend – zu Gunsten und zu Lasten der Steuerpflichtigen – angepasst. Denn bei den Feststellungsbescheiden handelt es sich um Grundlagenbescheide für die Erbschaftsteuerfestsetzung, so dass diese auch noch nach Eintritt der Bestandskraft geändert werden können. Darauf sollte die Mandantschaft vorbereitet werden.

Finanzierung der Erbschaftsteuer organisieren

Die im Erbschafsteuerbescheid festgesetzte Steuer sollte pünktlich bezahlt werden. Wird sie zu spät gezahlt, entstehen Säumniszuschläge in Höhe von 1 % der fälligen Steuer für jeden angefangenen Monat der Säumnis. Deshalb sollte bereits mit Übernahme der Beratung geklärt werden, wie die Erbschafsteuer später gezahlt werden soll. Ist sie erst einmal festgesetzt, ist sie in der Regel innerhalb eines Monats zu zahlen. Ratenzahlungen werden von der Finanzverwaltung eher widerwillig bewilligt und wenn ja, fallen zusätzlich Zinsen an. Deshalb sollte die Zeit bis zur Festsetzung der Erbschaftsteuer genutzt werden, um die Finanzierung der Erbschaftsteuer zu organisieren.

Wer der Meinung ist, dass eine zu hohe Steuer festgesetzt wurde, sollte gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen und ggf. die Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Zinsrisiko bei Aussetzung der Vollziehung

Verfügt die Mandantschaft über ausreichende Liquidität, sollte ggf. auf einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verzichtet werden. Denn wenn sich im Rahmen des Einspruchsverfahrens herausstellt, dass der Steuerbescheid in Ordnung ist, sind für ausgesetzte Steuern Zinsen zu zahlen, die – je nach Höhe der ausgesetzten Steuer und Dauer der Aussetzung – durchaus einen sehr hohen Betrag ausmachen können. Sie betragen immer noch 6 % der ausgesetzten Steuer im Jahr. Die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit bestimmter Zinsen betrifft nicht die Aussetzungszinsen, sondern vor allem Zinsen für laufend zu zahlende Steuern, wie die Einkommensteuer. Deshalb ist es nicht immer sinnvoll, die Erbschaftsteuersteuer aussetzen zu lassen, auch wenn Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt wird. Anders als im Einkommensteuerrecht werden vom Finanzamt aber für im Rahmen eines Einspruchsverfahrens bereits gezahlte Erbschafsteuern, die später erstattet werden, weil dem Einspruch stattgegeben wird, keine Zinsen gezahlt.

 

* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.02.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.