23.06.2024 | Hessisches Finanzgericht
Die Kapitalertragsteuer bei sogenannten Cum/Ex-Geschäften ist nur dann anrechnungsfähig, wenn sie tatsächlich einbehalten wurde. Dabei kommt demjenigen, der die Anrechnung für sich in Anspruch nehmen möchte, eine entsprechende Mitwirkungs- und Nachweispflicht zu.
Kann die tatsächliche Einbehaltung nicht oder nicht mehr nachgewiesen werden, ist das Finanzamt grundsätzlich berechtigt, eine bereits ergangene Anrechnungsverfügung zu ändern und zu viel erstattete Steuerbeträge zurückzufordern. Dies hat das Hessische Finanzgericht im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes mit jetzt veröffentlichtem Beschluss vom 26. Juli 2023 entschieden (Az. 4 V 1042/22).
Zum Hintergrund
Cum-Ex-Geschäfte sind eine bestimmte Form von Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag einer Aktiengesellschaft herum. In der Regel schütten die Aktiengesellschaften einmal im Jahr eine Dividende an die vorhandenen Aktionäre aus. Dadurch werden diese am Gewinn beteiligt und erhalten die "Verzinsung" für das angelegte Kapital. Jeder Anleger, der an dem Dividendenausschüttungstag eine Aktie von dem Unternehmen besitzt, bekommt die Dividende ausgezahlt, wobei Kapitalertragssteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird.
Darüber stellt die jeweilige Depotbank eine Bescheinigung aus, die später als Nachweis zur Anrechnung auf die persönliche Steuer dient. Bei den Cum-Ex-Geschäften werden Lücken in diesem System genutzt. Aktien werden dabei mit Dividendenanspruch (Cum) und ohne Anspruch (Ex) unter verschiedenen Beteiligten binnen weniger Tage hin- und hergeschoben, so dass unklar ist, welche Person am Stichtag überhaupt im Besitz der Aktien ist und auf welche Transaktionen Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Da im Regelfall auch keine Kursgewinne erzielt werden können, liegt der wirtschaftliche Vorteil allein in der Anrechnung oder Erstattung der (tatsächlich nicht einbehaltenen) Kapitalertragsteuer.
Einbehalt der Kapitalertragsteuer zweifelhaft
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft, die im Streitjahr 2011 an den Börsen XETRA und EUREX auf eigene Rechnung Geschäfte um den Dividendenstichtag herum tätigte. Im Rahmen der Körperschaftsteuererklärung für 2011 machte sie aus diesen getätigten Börsengeschäften unter Vorlage von Steuerbescheinigungen die Anrechnung von Kapitalertragsteuer geltend. Das Finanzamt ließ den Abzug zunächst wie erklärt zu, stellte im Rahmen einer Außenprüfung später aber fest, dass ein Großteil der Transaktionen sogenannte Leerverkäufe waren, bei denen der Einbehalt der Kapitalertragsteuer zweifelhaft ist. Infolgedessen änderte das Finanzamt die Anrechnungsverfügung zu Lasten der Antragstellerin ab.
Das Hessische Finanzgericht hat den Antrag, soweit es um die Frage der Korrektur der Kapitalertragsteueranrechnung ging, abgelehnt. Es liege eine typische Cum/Ex-Konstellation vor, bei der es den Beteiligten ausschließlich darum gehe, tatsächlich nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die persönliche Steuer anrechnen zu können oder eine Erstattung zu erhalten.
Kapitalertragsteuerbescheinigung nicht ausreichend
Nach der Rechtslage für das Jahr 2011 setze dies jedoch voraus, dass ein den Verkaufsauftrag ausführendes inländisches Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut die Kapitalertragsteuer auf die hier betroffenen Dividendenkompensationszahlungen tatsächlich einbehalten und abgeführt habe. Die Nachweispflicht dafür treffe die Antragstellerin, wobei der bloßen Kapitalertragsteuerbescheinigung in diesen Konstellationen kein Beweiswert für die Frage der tatsächlichen Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer zukomme.
Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Anonymität der Börsengeschäfte keinerlei Überprüfungsmöglichkeiten bestünden, wer wann welche Aktien besessen habe und ob überhaupt Kapitalertragsteuer einbehalten worden sei.
Änderung der Anrechnungsverfügung binnen einer Jahresfrist zulässig
Die Antragstellerin sei insoweit auch nicht schutzwürdig, da sie sich in Kenntnis ihrer Nachweispflichten in die Anonymität des Börsengeschäfts begeben habe, zumal es ihr angesichts der von ihr getätigten marktrisikolosen Geschäfte ausschließlich darum gegangen sei, einen steuerlichen Vorteil aus der Anrechnung der Kapitalertragsteuer zu bekommen. Nur unter Einbeziehung dieser Anrechnung sei das Geschäftsmodell wirtschaftlich sinnvoll. Die Änderung der Anrechnungsverfügung sei binnen einer Jahresfrist zulässig.
Das Hessische Finanzgericht hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen, über die noch nicht entschieden ist (Az: VIII B 121/23).
(Hess. FG / STB Web)